Werke
nicht schlimm. Alle gingen hin, und groß wurde davon gesprochen. Wir, Herr Riew’, gehören nicht zu denen, die nach allem Neuen laufen; aber die Gummi-Elastikum-Kerle, als die angekündigt wurden, die mußten wir doch sehen! Wir beide gingen also eines Abends in die Zentralhalle, unsere Mutter war natürlich bei uns; der alten Dame schwindelte der Kopf, und sie hätte bald ihren Zufall bekommen, als wir in den ungeheuren Saal traten; doch es gab sich zum Glück, als wir erst an einem Tischchen unsern Tee tranken und dann der Vorhang aufging. Die Elastikum-Kerle waren freilich besser auf dem Zettel als auf der Bühne; aber als der eine sich rückwärts um den Tisch wickelte und der andere als Schlange über ihn wegkroch, ihre Faxen sahen sich doch lustig an. – Da, als wir im besten Lachen waren, entstand an einem Tische, ein Stückchen von uns, ein Rumoren, daß wir unwillkürlich unsere Augen dahin wenden mußten. Zwei Frauenzimmer hatten dort schon länger mit dem Rücken gegen uns gesessen; nun langten noch zwei leidlich junge Herren an; der eine sah wirklich vornehm aus, aber wer weiß das! Das Gesicht war ziemlich verkommerschiert, und die vielen Haare, die nicht mehr da waren, hatten wohl auch umsonst sich nicht empfohlen. Das gab ein Reden und Komplimentieren, ein Schurren mit den Stühlen; dann rief der Kleinere von den beiden nach dem Kellner. Ein blasser Schlingschlang mit weißer Binde drängte sich an den Tisch: ›Befehlen?‹ – ›Ja, was?‹ – Und der Kellner zählte her, was er zu bieten hatte. – Dazwischen rief der Kavalier: ›Genug, Kellner! Zum Vorschmack vier Gläschen schwedischen Punsch!‹ – Kennen Sie es, Kapitän? Es soll furchtbar stark sein!«
Ich nickte.
»Nun, die Gläser kamen, und die Herren hatten’s immer nur mit dem einen Frauenzimmer, als wenn die Gummi-Elastiker sie gar nichts angingen, und sie gingen auch mich bald nichts mehr an, denn ich sah immer nur nach diesen vier Menschen. Da stößt meine Mutter mich in die Seite. ›Du‹, sagt sie, ›kennst du das Frauenzimmer in der lila Haube?‹ Und da ich nein sage –: ›Frau Geyers‹, flüstert sie mir zu, und als die andere just den Kopf wendet: ›Herr Jesus!‹ ruf ich, ›und da ist auch die Anna!‹
In diesem Augenblick stand der vornehmere der Herren auf. ›Ihr Glas ist leer, Fräulein‹, sagt er zu der Anna; aber, indem er sich wendet: ›Freund Jack, das war wohl eigentlich kein Getränk für Damen!‹
Der andere lachte: ›Nur ein gustus, Edmund!‹
›Verzeihen Sie, meine Damen!‹ begann der Vornehmere wieder; und ›Kellner! Kellner!‹ rief er so laut, daß sie von allen Tischen ihn zornig ansahen und zu brummen anfingen; denn auf der Bühne ging jetzt ein Lustspiel vor sich. Aber er kehrte sich nicht daran, und als der Schlingschlang wieder vor ihm stand mit seinem atemlosen: ›Herrschaften befehlen?‹, rief er : ›Champagner! Zwei Flaschen auf Eis!‹
Nun, Kapitän, das kann ich Sie versichern, Anna hat nicht am wenigsten davon getrunken! Ihr schmuckes Lärvchen brannte ordentlich, und daß sie mit der linken Hand sich auf den Tisch stützte, wenn sie sich erhob und mit den Herren anstieß, das war auch nicht von ungefähr! Hätte die Mutter nicht mit ziemlich trockenem Munde dabeigesessen, sie wäre nach dem Schauspiel wohl Gott weiß wohin gekommen ; denn der am vornehmsten aussah, der schien viel Gutes nicht mit ihr im Sinn zu haben!«
Als das lustige Mädchen mit ihrem Gespinst zu Ende war, sagte ich nichts, denn mir war nicht eben wohl ums Herz, Nachbar; ich hörte nur, daß jetzt die ältere Schwester der jüngeren beistimmte. »Wir reden natürlich nicht davon«, sagte sie, »aber ins Haus nehmen, das geht doch nicht!«
Und die Jüngere warf den Kopf zurück: »Ich danke – wenn der Herr Graf sie abends vor unserer Haustür erwartete – da könnte am Ende ich noch in den Geruch einer Gräfin kommen!«
»Sie haben völlig recht, Mamsell Nettchen, und das wäre wenig passend«, sagte ich und empfahl mich höflichst.
– – Daß ich beim Nachhausekommen mir unsere alte Tugendhafte auf mein Zimmer bat und was der Inhalt unseres Gespräches gewesen, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erzählen; aber soviel sah ich, die Apothekermädchen hatten jedenfalls nur mäßig übertrieben ; die Herren aus der Zentralhalle aber waren freilich Biedermänner, der eine ein Graf, der andere ein Baron.
»Riekchen, geht in Euch!« rief ich, »besinnt Euch! Biedermänner, und Grafen und Barone? Und
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