Werke
doch, wie Ihr den Stein gefunden habt.«
»Das ist einfach«, sagte Kasperle; »dort unten im Dorfe wohnen lauter dumme Leute, die nur mit Schafen und Rindvieh verkehren; sie wußten nicht, welchen Schatz sie besaßen; da habe ich ihn in einem alten Keller gefunden und mit drei Sechslingen das Pfund bezahlt. Und nun denke ich bereits seit gestern darüber nach, wozu er nütze sei und hätte es vermutlich schon gefunden, wenn mich die verwünschte Glocke nicht dabei gestört hätte.«
»Lieber Herr Kollege!« sagte Hinzelmeier, »das ist eine höchst kritische Frage, woran vor Euch wohl noch kein Mensch gedacht hat! Aber wo habt Ihr denn den Stein?«
»Ich sitze darauf«, sagte Kasperle und zeigte aufstehend Hinzelmeier den runden, wachsgelben Körper, worauf er bisher gesessen hatte.
»Ja«, sagte Hinzelmeier, »es ist kein Zweifel, Ihr habt ihn wirklich gefunden; aber nun laßt uns bedenken, wozu er nütze sei.«
Damit setzten sie sich einander gegenüber auf den Boden, indem sie den Stein zwischen sich nahmen und die Ellenbogen auf ihre Knie stützten.
So saßen und saßen sie; die Sonne ging unter, der Mond ging auf, und noch immer hatten sie nichts gefunden. Mitunter fragte der eine: »Habt Ihr’s?« Aber der andere schüttelte immer mit dem Kopfe und sagte: »Nein, ich nicht; habt Ihr’s?« Und dann antwortete der andere: »Ich auch nicht.«
Krahirius ging ganz vergnügt im Grase auf und nieder und fing sich Frösche. Kasperle zupfte sich schon wieder an seiner schönen, großen Nase; da ging der Mond unter, und die Sonne kam herauf, und Hinzelmeier fragte wieder: »Habt Ihr’s?« und Kasperle schüttelte wieder den Kopf und sagte: »Nein, ich nicht; habt Ihr’s?« und Hinzelmeier antwortete trübselig: »Ich auch nicht.«
Dann dachten sie wieder eine ganze Weile nach; endlich sagte Hinzelmeier: »So müssen wir erst die Brille polieren, dann werden wir hernach schon sehen, wozu er nütze sei.« Und kaum hatte Hinzelmeier seine Brille abgenommen, so ließ er sie vor Erstaunen ins Gras fallen und rief: »Ich hab es! Herr Kollege, man muß ihn essen! Nehmt nur gefälligst die Brille von Eurer schönen Nase.«
Da nahm auch Kasperle die Brille herunter, und nachdem er seinen Stein eine Weile betrachtet hatte, sagte er: »Dieses ist ein sogenannter Lederkäse und muß mit des Himmels Hülfe gegessen werden. Bedienen Sie sich, Herr Kollege!«
Und nun zogen beide ihre Messer aus der Tasche und hieben wacker in den Käse ein. Krahirius kam herbeigeflogen und nachdem er die Brille aus dem Grase aufgesammelt und über seinen Schnabel geklemmt hatte, setzte er sich gemächlich zwischen die Essenden und schnappte nach den Rinden.
»Ich weiß nicht«, sagte Hinzelmeier, nachdem der Käse verzehrt war, »mir ist unmaßgeblich zumute, als wäre ich dem Stein der Weisen um ein erkleckliches näher gerückt.«
»Wertester Herr Kollege« erwiderte Kasperle, »Ihr sprecht aus meiner Seele. So laßt uns denn ungesäumt unsere Wanderung fortsetzen.«
Nach diesen Worten umarmten sie sich; Kasperle ging nach Westen, Hinzelmeier nach Osten, und zu seinen Häupten, die Brille auf dem Schnabel, flog Krahirius.
Neuntes Kapitel
Der Stein der Weisen
Aber er wanderte hin und her, kreuz und quer, sein Haar ergraute, seine Beine wurden wankend; am Stabe ging er von Land zu Land, und immer fand er doch den Stein der Weisen nicht. So waren noch einmal neun Jahre vergangen, als er eines Abends, wie er es jeden Abend zu tun pflegte, in ein Wirtshaus trat. Krahirius putzte wie gewöhnlich seine Brille und hüpfte dann in die Küche, um sich sein Abendbrot zu betteln. Hinzelmeier trat in die Stube und lehnte seinen Stab in die Kachelofenecke; dann setzte er sich still und müde in den großen Lehnstuhl. Der Wirt stellte einen Krug Wein vor ihm hin und sagte freundlich: »Ihr scheinet müde, lieber Herr; trinket nur, das wird Euch stärken!«
»Ja«, sagte Hinzelmeier und faßte den Krug mit beiden Händen, »sehr müde; ich bin lange gewandert, sehr lange.« Dann schloß er die Augen und tat einen durstigen Zug aus dem Weinkruge.
»Wenn Ihr der Herr des Vogels seid, so glaube ich fast, es ist nach Euch gefragt worden«, sagte der Wirt. »Wie heißet Ihr denn, lieber Herr?«
»Ich heiße Hinzelmeier.«
»Nun«, sagte der Wirt, »Euren Enkel, den Gemahl der schönen Frau Abel, den kenne ich recht wohl.«
»Das ist mein Vater«, sagte Hinzelmeier, »und die schöne Frau Abel ist meine Mutter.«
Der Wirt zuckte mit den Achseln,
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