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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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nickte.
    »Wo geht denn aber der Weg?«
    Es klang ihm in den Ohren: »Mitunter auch durchs Fenster!« – Das war die Stimme seiner Mutter. Er sah sie an seinem Bette sitzen; er sah sie lächeln; es war ihm plötzlich, als stehe er in einem rosenroten Nebel, der aus dem offnen Schiebfenster in die Küche hereinzog. Er trat wieder auf den Zuber sund legte seine Hände um den Nacken des Mädchens. Da sah er durch die offene Kammertür in einen Garten; darinnen standen die blühenden Rosenbüsche wie ein rotes Meer, und in der Ferne sangen kristallene Mädchenstimmen:
     
    Rinke, ranke, Rosenschein,
    Tu dich auf und schließ uns ein!
     
    Hinzelmeier drängte das Mädchen sanft in die Kammer zurück und stemmte die Hände auf das Fensterbrett, um sich mit einem Satz hineinzuschwingen; da hörte er es: »Krahira, krahira!« über seinem Kopfe schwirren, und ehe er sich’s versah, ließ der Rabe die grüne Brille aus der Luft und grade auf seine Nase fallen. Nur wie im Traume sah er noch das Mädchen die Arme nach ihm ausstrecken; dann war auf einmal alles vor seinen Augen verschwunden; aber in weiter Ferne sah er durch die grünen Gläser eine dunkle Gestalt in einem tiefen Felsenkessel sitzen, welche mit einem Stemmeisen eifrig in den Grund zu bohren schien.
Sechstes Kapitel
Ein Meisterschuß
    ›Der sucht den Stein der Weisen!‹ dachte Hinzelmeier, und seine Wangen begannen zu brennen; er schritt wacker auf die Erscheinung los; aber es war weiter, als es durch die Brillengläser aussah; er rief dem Raben, der mußte mit seinen Flügeln ihm die Schläfe fächeln. Erst nach Stunden hatte er den Grund der Schlucht erreicht. Nun sah er eine schwarze, rauhe Gestalt vor sich, die hatte zwei Hörner an der Stirn und einen langen Schwanz, den ließ sie hinter sich über das Gestein hinabhängen. Bei Hinzelmeiers Ankunft nahm sie das Stemmeisen zwischen die Zähne und begrüßte ihn mit dem verbindlichsten Kopfnicken, während sie mit der Schwanzquaste den Bohrstaub zusammenfegte. Hinzelmeier wurde fast um die Anrede verlegen, deshalb nickte er jedesmal mit gleicher Verbindlichkeit wieder, so daß also diese Komplimente von beiden Seiten eine Zeitlang fortdauerten. Endlich sagte der andere: »Sie kennen mich wohl nicht?«
    »Nein«, sagte Hinzelmeier. »Sind Sie vielleicht ein Pumpenmeister?«
    »Ja«, sagte der andere, »so etwas Ähnliches; ich bin der Teufel.«
    Das wollte Hinzelmeier nicht glauben; aber der Teufel sah ihn mit zwei solchen Eulenaugen an, daß er am Ende gründlich überzeugt wurde und ganz bescheiden sagte: »Dürfte ich mir die Frage erlauben, ob Sie mit diesem ungeheueren Loche ein physikalisches Experiment beabsichtigen?«
    »Kennen Sie die ultima ratio regum?« fragte der Teufel.
    »Nein«, sagte Hinzelmeier. »Die ratio regum hat nichts mit meiner Kunst zu schaffen.«
    Der Teufel kratzte sich mit dem Pferdehuf hinter den Ohren und sagte dann, einen überlegenen Ton annehmend: »Mein Kind, weißt du, was eine Kanone ist?«
    »Freilich«, sagte Hinzelmeier lächelnd; denn das ganze hölzerne Arsenal aus seiner Knabenzeit sah er plötzlich im Geiste vor sich aufgepflanzt.
    Der Teufel klatschte vor Vergnügen mit seinem Schwanze auf den Felsen. »Drei Pfund Schießpulver, ein Fünkchen Höllenfeuer dazu; dann –!« Hier steckte er die eine Tatze in das Bohrloch, und indem er die andere auf Hinzelmeiers Schulter legte, sagte er vertraulich: »Die Welt ist unregierbar geworden! Ich will sie in die Luft sprengen.«
    »Alle Wetter«, schrie Hinzelmeier, »das ist ja aber eine Radikalkur, eine wahre Pferdekur!«
    »Ja«, sagte der Teufel, »ultima ratio regum! Versichere Sie, es gehört eine übermenschlich gute Natur dazu, um so etwas auszuhalten! Aber nun entschuldigen Sie ein Weilchen; ich muß ein wenig inspizieren.« Mit diesen Worten zog er den Schwanz zwischen die Schenkel und sprang in das Bohrloch hinab. Da überfiel den Hinzelmeier auf einmal eine ganz übernatürliche Courage, so daß er bei sich beschloß, den Teufel aus der Welt zu schießen. Mit fester Hand zog er seine Zunderbüchse aus der Tasche, pinkte Feuer und warf es in das Bohrloch; dann zählte er: »Ein – zwei –«, aber er hatte noch nicht »drei« gezählt, so entlud sich diese grundlose Pistole ihres Schusses samt ihrer Vorladung. Die Erde machte einen fürchterlichen Seitensprung durch den Himmel. Hinzelmeier stürzte in die Knie; der Teufel aber flog wie eine Bombe durch die Luft, von einem Planetensystem in das andere, wo ihn

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