Wernievergibt
der Münchner Staatsoper und ihr Leben als Georgiendeutsche.«
»Und dann?«
»Isolde schlug vor, sich am Dienstagabend wieder zu treffen. Mira konnte am Montag nicht. Deshalb kamen wir am Dienstag zusammen, aber Clara fehlte. Sie kommt notorisch zu spät, also dachten wir an nichts Böses. Allerdings war sie nach einer Stunde immer noch nicht da, und im Marriott wusste niemand, wo sie steckte. Da rief Mira eine Nummer in Sighnaghi an. Irgendeine Freundin von Clara wohnt dort. Clara hatte Mira die Nummer wohl am Sonntag gegeben. Falls sie ein Interview machen wollte und sie im Hotel nicht erreichen könnte. Dann wäre es wahrscheinlich, dass sie nach Sighnaghi gefahren wäre. Die Dame am anderen Ende war völlig aufgelöst. Sie hatte Clara an jenem Dienstag erwartet, doch sie kam nicht und war auch nicht erreichbar.«
»Hat Clara kein Handy?«
»Nein, sie hat keines. Sie hasst Handys und Computer. Sie töten ihre Kreativität, sagt sie immer.«
»Haben Sie Einblick in die Buchhaltung des Chores?« Ich schlürfte meinen Kaffee leer.
»Nein. Das ist ja das Problem. Einerseits soll ich mit den Sponsoren verhandeln und auf gutem Fuß stehen, andererseits weiß ich nicht, wie viel Geld in der Kasse ist und wie viel im nächsten Vierteljahr gebraucht wird.«
»Isolde wacht über die Einnahmen und Ausgaben?«
»Sie und ihr Mann.«
»Der Arbeitslose.«
»Ja.«
»Wie hat Isolde darauf reagiert? Dass Clara nicht aufkreuzte, an jenem Dienstagabend?«, schoss ich die nächste Frage ab.
»Sie war fassungslos! Sie regte sich unglaublich auf, versuchte dennoch vor unserem Gast, also vor Frau Berglund, Ruhe zu bewahren. Sie entschuldigte sich hundertmal dafür, dass die Reporterin umsonst in das Restaurant gekommen war.«
»Ich nehme an, Sie trennten sich bald?«
»Nein! Wir hatten Frau Berglund ja eingeladen. Wir aßen zu Abend.«
»Haben Sie nicht versucht, in Balnuri bei ihren Verwandten nachzufragen?«
Thea räusperte sich. »Doch. Ich habe dort angerufen. Niemand hatte in den Tagen zuvor mit Clara Kontakt gehabt und es war auch nicht ausgemacht, dass sie zu Besuch kommen sollte.«
»Wie reagierte Mira auf das geplatzte Interview mit Clara?«
»Sie schien ziemlich aufgeregt, fast zornig.«
»Soweit ich weiß, bekommt Tedo Klavierunterricht?« Meine Güte, was wäre Nero stolz auf mich und meine Vernehmungstechnik.
»Tedo. Ach, ein armes Kerlchen. Ja, er bekommt Unterricht. Eine alte Dame im Ort, Lia heißt sie. Sie hilft uns mit dem Chor, unterrichtet Harmonielehre. Lia gibt ihm Klavierstunden. Er ist so klein. Fünf Jahre! Die Finger können die Tasten kaum drücken.«
»Hat er Talent?«
»Begabt ist er bestimmt«, gab Thea unfroh Auskunft.
»Nur leider nicht so superbegabt, wie Isolde es gern hätte! Wie heißt diese Lia mit Nachnamen?«
»Ketschagmadse.«
»Telefon?«
»Ich habe lediglich die Mobilnummer!«
»Dann her damit«, befahl ich.
Thea diktierte mir ein paar Ziffern. »Hören Sie, ich weiß nicht, ob ich mit Ihnen darüber sprechen sollte …«
Juliane machte verrückte Grimassen. ›Großmutter‹ deuteten ihre Lippen an.
»Warum ist Claras Großmutter in der Versenkung verschwunden?«, fragte ich gehorsam.
»Das weiß ich nicht.«
»Sie wissen es.«
Thea legte auf.
Juliane schlug mir auf die Schulter. »Bombig, Kea!«, rief sie.
Mein Handy fiepte. Während ich Thea auf die Nerven gegangen war, hatte Guga mich zu erreichen versucht. Ich rief ihn zurück. Zwei Minuten später legte ich das Telefon weg und winkte dem Kellner.
»Lass uns zahlen. Guga kommt nach Tbilissi. Clara war in dem Auto. Sie hat den Unfall überlebt und wurde von einem Tierarzt behandelt. Guga hat sie knapp verpasst. Gestern hat unsere Diva das Asyl des Veterinärs verlassen und tigert jetzt frank und frei durchs Land.«
»Scheiße!«
»Oops?«
»Nein, versteh mich nicht falsch. Toll, dass Clara lebt. Aber damit haben wir den heutigen Tag komplett verschwendet.«
Ich legte gerade meine Lari-Scheine in das Ledermäppchen mit der Rechnung, als mein Telefon erneut klingelte. Ich bekam Lust, es über die Brüstung in den 50 Meter unter uns mäandernden Mtkwari zu werfen.
»Kawsadse«, meldete sich der Polizist aus dem Revier an der Kostawa-Straße. »Mrs. Laverde?«
»Am Apparat.«
»Die Leiche aus der Schlucht bei Wardsia ist Mira Berglund. Zu 99,999 Prozent. Kein Irrtum möglich.«
31
Wir waren mit dem Bus auf Tbilissis höchsten Berg gefahren und stiegen die breiten Stufen zum Eingang des Parks hinauf.
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