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Wernievergibt

Wernievergibt

Titel: Wernievergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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Säuberungen, Geiselnahmen. Die Georgier behaupten, ihre Landsleute seien aus dem Landstrich vertrieben worden, während die Gegenseite irgendwas anderes behauptet. Es ist einfach desolat. Mira meinte, sie würde eine gute Tarnung brauchen, die es ihr dennoch erlaubt, mit den richtigen Leuten in Kontakt zu kommen und nach Südossetien einzureisen. Über die grüne Grenze, ohne Erlaubnis.«
    »Das ist lebensmüde.«
    »Ist es.«
    »Aber Mira ist nicht in einem Scharmützel an irgendeiner beknackten Demarkationslinie ums Leben gekommen. Sondern Hunderte von Kilometern weiter südwestlich. Nah an der türkischen Grenze.«
    Lynn stöhnte nur.
    »Lynn, verdammt, mit welchen Leuten wollte sie sich treffen? Auf der Kontaktliste, die ich von dir habe, sind nur harmlose Typen, Dolmetscher, Kulturleute, Reiseagenturen.«
    »Sie war im August 2008 in Südossetien. Dabei hat sie beobachtet, wie ossetische Milizen ein ganzes Dorf umbrachten. Da versteckten sich bloß Frauen, Kinder und Alte. Die Milizionäre brachen die Türen auf, vergewaltigten die Frauen und ermordeten anschließend alle.«
    »Das hat Mira gesehen?« Ich beugte mich weit über die Brüstung, wo tief unten im Tal die Stadt pulsierte. Der Augustkrieg war ein Sachverhalt, über dessen Existenz ich Bescheid wusste. Wie über die meisten anderen Konflikte dieser Welt, die ihren Weg in unsere Nachrichtensendungen fanden. Uiguren in China. Der verrückte Nordkoreaner im grauen Jogginganzug. Indien und Pakistan. Und natürlich Kabul und Bagdad. Jetzt bekam der Krieg Dringlichkeit. Als sei er per E-Mail in meinem Postfach gelandet.
    »Sie hatte sich mit ihrer Kamera auf einem Hügel verschanzt. Ihr passierte nichts, weil die Milizionäre in Eile waren. Auf zum nächsten Dorf und dort weiter morden. Deswegen verrichteten sie ihr Geschäft auch schlampig. Ich habe die Bilder gesehen. O Gott, Kea, da waren Kinder, die lagen eine Stunde oder länger im eigenen Blut, bis sie es hinter sich hatten.«
    Schlucken half nicht gegen den Ekel, der in mir hochkam. »Was hatte Mira hier vor, Lynn!«
    »Mira brauchte Geld und einen bequemen Weg nach Georgien.«
    »Was war ihre eigentliche Absicht?«
    »Den Kerl zu finden, der diese Paramilitärs befehligte.«
    »So naiv konnte Mira nicht sein!«
    »Sie war nicht naiv, Kea! Sie hat in den vergangenen beinahe zwei Jahren sehr genau recherchiert und war mehrmals im Nordkaukasus, auf russischer Seite. Sie kam nur nicht mehr auf südossetisches Gebiet.«
    »Hattest du keine Bauchschmerzen bei so einem Deal? Das stinkt ja wie ein Misthaufen!«
    »Nein«, seufzte Lynn. »Erst, als ich hörte, dass Mira wie vom Erdboden verschluckt ist, habe ich angefangen, mir Sorgen zu machen.«
    »Ich glaube dir alles. Mit dem größten Vergnügen«, höhnte ich. »Erklär mir nur noch eins: Warum hast du am 6.4., nachdem du von deiner Kreditkarte die Rechnung für Miras Zimmer hast abbuchen lassen, gleich auf meinen Namen weiterreserviert? Du musst dir ja sehr sicher gewesen sein, mich zu überzeugen. Denn du hast mich erst am 7. gefragt.«
    »Ich brauchte jemanden, der harmlos ist«, verteidigte Lynn sich lahm. »Der Miras Spuren zudeckt, indem er oder sie glaubwürdig die Tourismusschiene fährt.«
    »Harmlos bin ich!«, lachte ich auf. »Klasse. Ich hatte einen Einbrecher im Hotelzimmer, der mein Notebook ausgeschnorchelt hat. Harmlos! Darf ich also die Irren, die Mira umgebracht haben, auf mich lenken?«
    »Sei auf jeden Fall vorsichtig«, sagte Lynn. »Vor allem jetzt. Wahrscheinlich wird der Flugverkehr wegen dieser Aschewolke unterbrochen. Halte dich im Hintergrund.«
    »Was denn für eine Aschewolke?« Langsam hatten wirklich alle einen an der Klatsche.
    »Ein Vulkan auf Island spuckt haufenweise Asche, die vom Wind nach Osten getrieben wird und bald ganz Europa bedeckt. Die Flugsicherungen befürchten gefährliche Situationen für Düsenjets. Bislang ist nichts beschlossen.«
    »Das ist mir jetzt echt zu viel«, sagte ich. Dankbar lauschte ich dem dreimaligen Tuten meines Akkus, der überstrapaziert sein letztes Quäntchen Elektrosaft aus sich herausquetschte. Dann warf ich das Telefon in meine Tasche und sagte zu Guga: »Ich hoffe, Sie sind noch halbwegs normal.«
    »Ich glaube ja. Gehen wir etwas essen?« Er lief uns voraus, mitten hinein in den Vergnügungspark, der sich weitläufig auf dem grünen Gipfel des Mtatsminda ausstreckte. In der zunehmenden Dunkelheit blinkten bunte Lichtergirlanden rund um Karussells und Autoskooter. Zu Füßen

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