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Wernievergibt

Wernievergibt

Titel: Wernievergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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des Fernsehturms, der sein abendliches Glitzergeschäft wieder aufgenommen hatte, ließen wir uns in einem Restaurant nieder. Aus übersteuerten Lautsprechern plärrte Musik, die einen Schweif von Melancholie hinter sich herzog.
    Nach einem kurzen Seitenblick auf Juliane, die mir aufmunternd zunickte, setzte ich Guga ins Bild über das, was wir wussten. Ich berichtete von Isolde und Thea, dem Einbruch in Bordschomi, schließlich von Lynns Eingeständnis, dass Mira auf einer politischen Spur war. Ganz zum Schluss sagte ich: »Die Leiche bei Wardsia ist Mira Berglund. Kawsadse hat uns vorhin verständigt.«
    Guga schluckte. »Das ist natürlich eine Geschichte …« Er schwieg.
    »Wir müssen Kawsadse über Miras politische Interessen in Kenntnis setzen«, sagte ich in die unangenehme Pause hinein.
    »Tun Sie das nicht!« Guga hob die Hand.
    »Warum denn? Wenn das der Weg ist, den Mord an Mira aufzuklären?«
    »Nein. Kawsadse wird sich auf die ossetische Angelegenheit stürzen, weil sie ihm wenig Arbeit macht. Er wird einen Bericht schreiben, in dem er die Ermittlungen an eine andere Einheit weiterreicht, die sich mit Kriegsverbrechen befasst.«
    »Dann wäre Miras Fall endgültig von Claras getrennt«, fügte Juliane nachdenklich an.
    »Wissen Sie, es gab natürlich ethnische Säuberungen. Aber wir in Georgien sind von Südossetien völlig abgeschnitten. Russland hat das Gebiet quasi annektiert. Wer auch immer so ein Kommando leitete, sitzt in Russland im Warmen. Diese Menschen werden nie zur Verantwortung gezogen.«
    »Karadžić haben sie auch gefunden«, warf ich ein.
    »Das war etwas anderes. Das war in Europa.«
    »Sind wir nicht in Europa?«
    »Wir sind es und wir sind es nicht.« Guga lächelte sphinxhaft.
    »Sagen wir es so: Wir, Kea und ich, können für Mira ohnehin nichts tun. Für Clara dagegen schon!«, sagte Juliane.
    »Und der Einbrecher, der meinen Computer ausschnüffelte? Das wäre nur folgerichtig: Die Typen wollten rausfinden, wie weit Mira mit den Recherchen zu den Paramilitärs gekommen war.«
    Guga streckte die Schultern. »Glauben Sie mir, solche Leute forschen nicht nach. Sie erledigen ihre schmutzige Arbeit einfach. Und nicht mit Autos. Sie tun es mit Schusswaffen oder, wenn es sein muss, mit Messern.«
    Ich starrte auf meine Hände und überlegte, ob mir bereits drei Ex-Offiziere in Flecktarn auf der Spur waren, die von draußen, aus der Dunkelheit, ihre betagten Rotarmistengewehre auf mich anlegten. Meine Fantasie ging einfach eigene Wege.
    Guga räusperte sich. »Also haben wir eine Frau lebend wiedergefunden, die andere tot.«
    »Gefunden haben wir Clara ja noch nicht«, wandte Juliane ein. »Oder hat sich etwas ergeben?«
    »Nein. Ich habe in Sagaredscho herumgefragt. Niemand will eine Frau gesehen haben, die in eine Marschrutka gestiegen ist.«
    »Weil vermutlich zu viele Frauen in eine Marschrutka steigen«, lachte ich. »Clara brauchte ein paar Klamotten im bäuerlichen Stil und ein Kopftuch. Niemand hätte sie erkannt.«
    »Ich habe das Gefühl, dieser Guram, der Tierarzt … nun, er schützt sie.« Guga waren seine eigenen Worte peinlich. Er begann eine Diskussion mit dem Kellner, der unsere Bestellung aufnahm.
    Ich war pappsatt, doch das brachte Guga nicht davon ab, uns zum Essen einzuladen. Während eine Karaffe mit Wein und Mineralwasser auf unserem Tisch abgestellt wurden, fragte ich: »Was meinen Sie damit?«
    »Er hat … gewisse Kräfte.«
    »Wer? Der Veterinär? Wie hat Clara überhaupt zu ihm gefunden? Lebt er nah an der Unfallstelle?«
    »Das ist es ja eben. Sie musste eine Weile laufen. Das sind gut und gern 10 Kilometer. Wie sie zu ihm kam, darüber hat er mir keine Auskunft gegeben. Es scheint, als habe er irgendwie gewusst, dass sie seine Hilfe braucht, und sie … zu sich gerufen.«
    »Zu sich gerufen?« Um nicht zu dumm dreinzuschauen, goss ich mir Wein ein und trank durstig.
    »Ich kann es nicht erklären. Es gibt Menschen, die solche Kräfte haben. Er hat einen Wolf in seinem Wohnzimmer.«
    Juliane lachte schallend. »Gott sei Dank! Es gibt also ein Leben jenseits der Norm. Halleluja!«
    Guga guckte so verdutzt, dass ich ihm Wein einschenkte und mein Glas hob. »Trinken wir auf die Leute, die aus dem Standard ausscheren«, plusterte ich mich auf. »Auf Tierärzte, Sängerinnen und Wölfe. Und auf Polizisten!« Der Wein peitschte seine galoppierenden Reiterhorden durch mein Hirn. »Gaumardschoss!«
    »Sie wissen ja bereits, wie wir uns in Georgien zuprosten.«

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