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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Handschuhe hatte er vergessen.
    Es wäre vielleicht alles gut gegangen, wenn Mrs. Lanphier nicht auf den Gedanken gekommen wäre, einen Blick in die Bar zu werfen, um zu sehen, ob da vielleicht ein paar alte Freunde säßen. Nachdem sie sich einmal auf einem Hocker niedergelassen und einen doppelten Scotch und für Charles ein Glas Rotwein bestellt hatte, flog die Zeit unbemerkt nur so dahin, während sie tranken und über den Betrunkenen lachten, der neben Charles saß und dem dauernd die Nase in sein Bier fiel. Sie schwatzten mit dem Barkeeper, den Claire, wie es schien, vor langer Zeit einmal unter anderen Umständen gekannt hatte. Noch ein Doppelter wurde bestellt, noch ein Wein, wobei der Barkeeper bemerkte, er dürfte das Charles eigentlich gar nicht servieren, aber es wäre wahrscheinlich schon in Ordnung, da er ja mit seiner Mutter hier wäre. Worauf Claire, die gerade ihr Glas wieder zu den schön geschwungenen Lippen führen wollte, mitten in der Bewegung innehielt.
    »Mit seiner Mutter!« rief sie mit gespieltem Entsetzen.
    »Er hat doch nur Spaß gemacht«, begann Charles, aber dann merkte er, daß er in dem Gespräch gar keinen Platz hatte, und lehnte sich ein wenig gekränkt zurück, während die Neckereien weitergingen.
    »Larry, du findest wirklich –«, begann Claire und packte die Hand des Barkeepers, die vom Abspülwasser ganz naß war. »Und dabei wollte ich mit ihm nach Crown Point fahren und ihn heiraten.«
    »Also, Claire, du hast dich überhaupt nicht verändert«, stellte der Barkeeper lachend fest und steckte seine nasse Hand wieder ins Spülwasser.
    »Du aber schon, du alte Bisamratte«, entgegnete sie und leerte ihr Glas. »Du hast deine Haare und deine jugendliche Unschuld verloren. Und wenn du mir da nicht noch einen draufgibst«, sagte sie, während sie das Glas über den Tresen schob, so daß er es auffangen konnte, als es umkippte, »werd’ ich diesem Bürschchen hier seine Unschuld rauben, indem ich ihm von deiner eigenen Jugend erzähle.«
    Der Barkeeper war tatsächlich glatzköpfig und dick und sah nach Charles’ Meinung gar nicht gut aus, aber unter Claires scherzhaften Bemerkungen und Anspielungen auf seine wilde Vergangenheit blühte er förmlich auf. Es kam also noch dieser Scotch und dann noch einer, und Charles hätte nicht sagen können, ob er nur ein Glas Wein oder drei getrunken hatte, weil er seine Gedanken überhaupt nicht mehr beisammenhalten konnte. Immer wieder glitt seine Hand zu dem Stein in seiner Tasche, denn das war sein einziger Talisman in einer unsicheren Welt, und er merkte es nicht einmal, daß er das Summen des Steins gar nicht mehr spüren konnte, oder es war vielmehr so, als hätte das Summen sich in seinem ganzen Körper ausgebreitet, während der Stein still und kalt geworden war. Dann zog ihn plötzlich jemand vom Hocker, und er öffnete blinzelnd seine Augen, um eine Gestalt mit einem grünen Hut und einer langen Feder zu sehen, die aussah wie ein Indianermädchen, oder war es vielleicht Lady Marian mit einem Pfeil im Kopf. Jedenfalls packte ihn die Gestalt beim Ärmel und schob ihn zur Tür, während rund um ihn herum wie vielfarbiger Donner ein wirrer Tumult von Geräuschen ausbrach und schwingende Lichter sich verdoppelten, wieder eins wurden, sich dann erneut verdoppelten, genau wie das Gesicht des Barkeepers. Dann traf ihn die Kälte wie ein harter Schlag ins Gesicht.
    »Komm, Charly, alter Junge, wir müssen zurück an den heimischen Herd.« Claire bugsierte ihn in den Wagen. Sein rechtes Bein ließ sie in den Schnee hinaushängen und torkelte hinüber auf ihre Seite. »Den Rest mußt du selber machen, oller Junge. Ich kann dir nich’ auch noch das Bein reinschieben.«
    Er starrte auf sein Bein, das in den tiefen Schnee hing und dachte an Douglas. Was hätte Doug darum gegeben, in diesem Auto fahren zu dürfen, und Charles bedeutete es kaum etwas. Der Motor heulte auf, und jemand packte ihn im Genick und zog ihn herein.
    »Los, komm rein jetzt.«
    Er zog sein Bein hoch und hob es in den Wagen, beugte sich weit über einen gefährlichen Abgrund, um die Türklinke zu fassen zu bekommen und die Tür zuzuschlagen. Das Auto ruckte auf eine befremdliche Weise rückwärts und vorwärts. Charles machte eine große Anstrengung, um aus seinem Dämmerzustand zu erwachen und sah das rot-grüne Schild, das blinkend die Worte »Grenzgasthaus« in die Nacht hinausschickte, wie verrückt hin und her rutschen. Neben ihm schimpfte Claire wütend vor sich

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