Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
Vom Netzwerk:
Schnee versunkenen kleinen Sträßchen und Fahrtwegen, die zu den unsichtbaren Häusern führten. Erst wenn man dicht vor ihnen stand, tauchten sie plötzlich aus den weißen Schleiern auf.
    Mit gesenkten Köpfen kämpften sich die Menschen durch den Schnee, der zuerst herrlich aufregend war, dann lästig und schließlich zu einer bedrohlichen Gefahr wurde, die vor keinem haltmachte und selbst den Kindern Unbehagen einzuflößen begann. Wenn sie erst einmal wieder in ihren Häusern waren, standen die Familien an den Fenstern, während der Nachmittag sich verfinsterte, und blickten so blind wie zuvor die Kinder in der Schule aus den Fenstern, gebannt von der Gewalt der Natur, die sich hier plötzlich in ihren Möglichkeiten zeigte, Zerstörung und blankes Entsetzen zu säen.
    Niemand starb in dieser Nacht in der Gemeinde, wenn auch viele einen neuen Respekt vor jener Zone bekamen, die in Charles’ Geographiebuch die »gemäßigte« genannt wurde. In umliegenden Ortschaften, wo der gewaltige Schneesturm mehr als acht Stunden tobte und die Erde unter seinem Flockenwirbel begrub, kamen viele warmblütige Geschöpfe zu Tode, die sich im Schneetreiben verirrt hatten. Kühe und Schafe starben, während sie hilflos und aller Bewegungsfreiheit beraubt in den Schneemassen standen, die so tief waren, daß sie in ihnen keinen Schritt tun konnten; Leute in Autos und Bussen machten sich auf, Hilfe zu holen, verloren in der weißen Finsternis die Orientierung, wanderten im Kreis herum, machten schließlich halt, um zu rasten, und wurden dann Tage später, zu Eisbrocken gefroren, im endlosen, glatten Schneemeer gefunden.
    Zwei Schwestern in Wisconsin, die sich nach einem Kaffeekränzchen auf den Heimweg begaben, verloren einander in der früh einfallenden Dunkelheit aus den Augen, und beide starben keine sechzig Meter entfernt von ihrer Haustür, nachdem sie sich dem Haus aus unterschiedlichen Richtungen genähert hatten. Ein älterer Mann ließ seine Frau bei laufendem Motor und eingeschalteter Heizung im Auto zurück, während er Hilfe holen wollte. Er geriet von der Straße ab in einen tiefen, mit Schnee gefüllten Graben, kämpfte sich weiter vorwärts, wurde müde, hielt an, um zu rasten, und erfror. Seine Frau starb noch vor ihm an Kohlenmonoxidvergiftung, während der Automotor weiterlief, bis kein Benzin mehr im Tank war. Darauf wurde es sehr kalt, so daß man drei Tage später, als der Wagen gefunden wurde, nicht sagen konnte, ob sie erfroren oder an Gasvergiftung gestorben war.
    Ein Bus voller Kinder, die vom Schlittschuhlaufen auf einem nahegelegenen See zurückkehrten, rutschte in einer Kurve von der Fahrbahn und geriet in eine Schneeverwehung, die so tief war, daß der Schnee bis zu den Busfenstern hinaufreichte. Vier Kinder und der Fahrer, die Hilfe holen wollten, kamen um. Die übrigen Kinder blieben mit einem achtzehnjährigen Betreuer zurück, der die Sitze des Busses verfeuerte und alle rettete, indem er dafür sorgte, daß sie sich in dieser Nacht wie die Hühner zusammenkuschelten, um einander warmzuhalten. Sie wurden erst am folgenden Nachmittag von einer Gruppe Skiläufer gefunden.
    Und schlimmer noch als der Schnee war die bittere Kälte, die wenig später folgte. Innerhalb von drei Stunden fiel die Temperatur um bis zu fünfunddreißig Grad. Die Züge fuhren langsamer, zuckelten hinter Schienenpflügen her, in den Städten gingen die Vorräte an Milch und Eiern aus, die Schneepflüge hatten nach 36 Stunden ununterbrochener Arbeit reihenweise Pannen, und drei Tage nach dem großen Schneesturm näherten sich aus Nordwesten weitere arktische Luftmassen und schütteten nochmals dreißig Zentimeter Schnee über dem bereits brachliegenden Mittleren Westen aus.
    Nach dem ersten heftigen Schneefall am Freitag gab es den ganzen Tag zu schippen, verirrtes Vieh mußte gefunden, nach Hause gelotst und gefüttert werden, die Lebensmittelvorräte mußten überprüft, Holz und Kohle für die kommenden Wochen gestapelt werden. Doch am Sonntagnachmittag endlich hatten die Jungen Zeit zum Spielen. Der Schnee war zu tief, um auf die Jagd zu gehen oder mit den Schlitten zu fahren, deshalb vergnügten sie sich damit, in den Schneewehen, die stellenweise vier bis fünf Meter hoch waren, Höhlen zu buddeln. Charles, Douglas und seine Brüder bauten ein Labyrinth von Tunneln und Gängen in der langen Schneewehe, die sich wie ein Keil von der Ecke der Brücke in der Nähe des Bent-Hofs über das Bachbett zog und dann noch ein ganzes

Weitere Kostenlose Bücher