Werwelt 01 - Der Findling
Blitzartigkeit ihres Bisses so bewundert wird, ist verhältnismäßig langsam, wenn man ihre Reflexe mit denen mancher anderen Säugetiere vergleicht.
An dem Morgen, als Robert die Eier holte und beim Griff in eines der Nester die Klapperschlange hörte, hätten wir eine schmerzhafte Verletzung davontragen können, die unser Blut vergiftet hätte. Doch dank meiner Reflexe reagierte ich, noch ehe Robert das Klappern richtig hörte, und als die Schlange hervorschießt, hat sie nicht mehr Roberts schwerfällige kleine Hand vor sich, sondern meine große Pfote, die sich ihr flink entzieht. Es ist einfach, die Schlange, die infolge ihres mißlichen Angriffs beinahe aus dem Nestkasten heraushing, mit der anderen Pfote aus der Luft zu greifen, während zur gleichen Zeit der Korb mit den Eiern zu Boden fällt. Ein rascher Biß hinter den flachen Kopf, und sie ist erledigt. Ich mag Schlangen nicht, weder fresse ich sie gern, noch sehe ich sie gern an, aber sie sind keine Gefahr für mich, es sei denn, sie erwischen mich in einem völlig unbedachten Moment, wie zum Beispiel, wenn ich mich ahnungslos auf eine niederlegen würde. Noch während ich der Klapperschlange den Garaus mache, schießt mir der Gedanke durch den Kopf, daß hier vielleicht noch mehr von ihrer Sorte herumkriechen, doch ehe ich mich umsehe oder Witterung aufnehmen kann, höre ich den Bauern kommen und muß mich verwandeln.
»Was ist denn das, mein Junge?« fragte Martin und starrte auf die Schlange, die Robert in der Hand hielt. Er setzte die beiden Milcheimer, die er trug, so hastig ab, daß die schäumende Milch überschwappte.
»Ich hab’ sie beim Hühnerhaus gefunden«, sagte Robert und hielt die Schlange hoch, die sich noch immer wand und schlängelte. »Ich glaube, sie ist tot, aber sie ringelt sich immer noch zusammen.«
»Das ist eine Klapperschlange«, rief Martin und riß Robert die gefleckte Schlange aus der Hand. »Die sieht man hier in der Gegend nicht sehr häufig. He!« Er starrte auf den Kopf, der an der Stelle, wo ich das Rückgrat durchgebissen hatte, nur noch an ein paar Muskelfetzen hing. »Schaut mir aus, als hätte ein Hund dem Vieh den Kragen durchgebissen.« Er hielt die Schlange bewundernd hoch. »Das muß Biff gewesen sein. Schau dir mal die riesigen Bißspuren an.«
Mir kommt die Galle hoch, wie ich das höre. Als ob dieser blöde alte Schäferhund die Schlange auch nur geschnappt, geschweige denn so sauber abgemurkst hätte. Robert wußte natürlich die Wahrheit und wußte auch, daß sich wahrscheinlich noch mehr Schlangen in der Nähe befanden.
»Ich dachte, ich hätte da drüben in dem Strohhaufen in der Ecke vom Hühnerhaus noch eine gesehen, aber sicher weiß ich es nicht.«
Der Bauer zog die Brauen zusammen, so daß seine Augen beinahe nicht mehr zu sehen waren. Er schleuderte die Schlange ins Gras.
»Hm, da wollen wir lieber mal nachsehen. Ein Teil von dem alten Hühnerhaus hat keinen gepflasterten Boden. Das ist nur festgetrampelte Erde. Kann schon sein, daß da so eine ganze Schlangenbrut haust, weil die Eier so gut schmecken.« Er blickte lächelnd auf Robert hinunter. »Das sind gefährliche Schlangen, weißt du. Bleib du also besser draußen, bis ich nachgeschaut hab’, ob noch mehr drinnen sind.«
»Ich hab’ einen ganzen Haufen Eier zerschlagen«, sagte Robert und hielt den Korb hoch.
Martin nahm ihm den Korb ab und stellte ihn nieder. Er hob Robert hoch und schwang ihn lachend in die Luft.
»Die Eier können wir entbehren. Hauptsache, die Schlange hat dich nicht gebissen, mein Junge.«
Später sah Robert von der Tür des Hühnerhauses aus zu, wie Martin die alten Planken aus der hartgetretenen Erde hob, die den unebenen Fußboden bildeten. Alle Hühner waren ins Gehege hinausgetrieben worden, die kleine Falltür über ihrem Einschlupf zugefallen. Jedes der alten dicken Bretter löste sich mit einem Ächzen und einer Wolke aus erstickendem Staub, altem Mist, Federn und Hühnerfutter. Als Martin die hochhob, unter der die Schlangen sich versteckt hatten, schrie er auf, und es lag eine Angespanntheit in seiner Stimme, wie Robert sie noch nie gehört hatte.
»He! He! Vorsicht da draußen, mein Junge. Da haben wir sie schon!«
Er schleuderte die Planke zur Seite wie ein dünnes Ästchen und packte die Schaufel, die er mitgebracht hatte. Mit ihrem Rand begann er auf das sich windende Geschlinge von Schlangen einzuschlagen. Die Schlangen waren größtenteils bei weitem nicht ausgewachsen, nur eine sehr
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