Werwelt 02 - Der Gefangene
übrigen Männer außer dem neuen Posten, der auf der Veranda saß, zu einer Besprechung in die alte Hütte hinunter wollten. Nachdem sie gehört hatte, daß sie am folgenden Morgen nach dem Frühstück aufbrechen wollten, hatte sie ihre und Minas Sachen so gut wie möglich gewaschen und in der Sonne aufgehängt. Jetzt waren sie trocken und konnten, wenn auch sehr zerknittert, eingepackt werden. Ohne Erheiterung stellte sie sich vor, wie sie sich in ihrem fleckigen, entsetzlich zerknitterten grünen Kleid auf der großen Versammlung ausnehmen würde. Wie eine zerrupfte Vogelscheuche. Lieber Gott, hoffentlich kommt es erst gar nicht dazu, dachte sie, während sie den letzten Teller spülte.
Und dann war alles getan, ihre Sachen waren gepackt, die Hütte saubergemacht und aufgeräumt. Mina war fertig zum Zubettgehen, Zähne geputzt, Haare gekämmt, Füße gewaschen, da sie viel barfuß gingen. Bills Trupp war abgefahren, und draußen war es jetzt ganz dunkel. Die andere Gruppe war unten in der anderen Hütte.
Sie hatte die Nachricht für Barry auf einen langen Streifen Papier geschrieben, den sie von einer Einkaufstüte abgerissen hatte, und drehte ihn um eine der braunen Schnüre, aus denen die Matratze von Minas kleinem Bett gemacht war. Dann umwickelte sie das Ganze fest mit einem Stück Schnur, so daß es gar nicht mehr auffiel. Sie hoffte aus tiefstem Herzen, Barry würde auf der Suche nach einer Nachricht von ihr das ganze Haus auseinandernehmen und dem kleinen Rollbett, das so schön gearbeitet war, besondere Aufmerksamkeit widmen. In winziger Schrift hatte sie alles aufgeschrieben, was sie über die Gruppe wußte, hatte Datum und Ort der Versammlung angegeben, zu der sie reisen wollten, und hatte noch hinzugefügt, wie sehr sie ihn liebte, daß es ihnen gut ging und daß sie alles aushalten könnte, wenn sie nur wußte, daß er sie irgendwann finden würde. Das Versteck war gut, dachte sie, während sie es aus der Ferne musterte. Vielleicht so gut, daß nicht einmal Barry es entdecken würde? Nein, er würde überall nachsehen, keine Matratzenschnur unbeachtet lassen.
Mina hatte ihrer Mutter mit einem merkwürdigen Lächeln zugesehen. Renee, die einmal flüchtig aufblickte, fand, ihre kleine Tochter sähe aus wie Alice im Wunderland, als sie der Cheshire-Katze zulächelte.
Doch ihre Überlegungen und Mutmaßungen hatten ein jähes Ende, als sie aus der Ferne das unverwechselbare Krachen von Schüssen hörte. Da wurde aus vielen Gewehren zu gleicher Zeit geschossen, und eine Salve folgte auf die andere. Es klang wie das ferne Krachen von Feuerwerkskörpern. Dann hörte sie einen dumpfen Knall, der wie eine Explosion klang. Die Hände an den Hals gepreßt sprang sie auf und lauschte, bis es schließlich still wurde. Nachts machten sie doch keine Schießübungen, und das Krachen der Schüsse war auch aus viel größerer Entfernung gekommen. Was aber hatte diese Schießerei zu bedeuten? Da, wieder wurde dort unten geschossen, und wieder folgte Schweigen. Hatte die Polizei diese Wahnsinnigen erwischt? Doch was war das für eine Explosion gewesen? Sie spürte, wie ihre Hände an ihrem Hals zitterten, während sie den Atem anhielt und lauschte.
Ich wittere sie straßenabwärts, rund um die prasselnden Flammen, die Barrys kleines Auto verschlingen, nehme sie jetzt sogar mit dem Auge wahr, bewegte schwarze Schatten, die sich vor dem hellen Schein des Feuers abheben. Sie suchen seine Leiche. Jetzt schwärmen einige von ihnen mit Taschenlampen in den Wald aus, und ich höre sie einander zurufen. Sie können in die offenen Türen des Model-A hineinsehen und erkennen, daß in dem brennenden Auto kein Mensch mehr ist. Die Taschenlampen kehren jetzt aus dem Wald zurück, und ich sehe, wie einer der Schatten, der größte, sein Gewehr in Anschlag bringt und blind in den dunklen Wald hineinfeuert, so schnell er den Hahn spannen und abdrücken kann. Peng! Peng! Peng! Siebenmal, dann ist Stille. Ich finde das Benehmen dieser Leute höchst seltsam und wundere mich, daß die Polizei sich so verhält. Aber sie sind gar nicht von der Polizei! Das wird mir klar, als sie wieder in ihr Auto steigen und langsam auf die Feuersbrunst zufahren, die jetzt in sich zusammenfällt. Nur die Reifen stehen noch in Flammen. Der glühende Rahmen des Autos hat sich auf die Seite gelegt.
Reglos liege ich am Waldrand unter den Bäumen und mustere das Auto voller Männer, das langsam an mir vorüberfährt. Der Strahl des kleinen Scheinwerfers
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