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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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daß sie seinen Kopf gar nicht treffen konnte. Sie wollte hier nicht weg, weil sie überzeugt war, daß Barry sie finden würde, wenn sie sich nur nicht allzu weit entfernten. Doch was konnte sie tun? Sie konnte wenigstens versuchen, ihm eine Nachricht zu hinterlassen. Sie überlegte, was sie ihm schreiben würde und wo sie die Nachricht verstecken könnte. Zerstreut blickte sie zu Mina hinüber, die aus Tannenzapfen und kleinen Stöckchen Koppeln und Ställe gebaut hatte, in denen sie ihre ›Kühe‹ unterbrachte, eine Schar unglücklicher kleiner Käfer, die sie unter der Veranda gefangen hatte. Sie war wirklich ein rührendes Kind, dachte Renee, während sie sie betrachtete. Bewundernswert, wie sie ihre Zuversicht behielt, sich nie beklagte, diese Gefangenschaft mit solchem Gleichmut ertrug. Sie sprach immer wieder davon, daß die große Miezekatze sie sehr bald finden und nach Hause bringen würde. Ach, mein Liebes, wenn du wüßtest, wie wenig solche Träumereien gegen eine Schar bewaffneter Männer ausrichten können.
    In diesem Moment verkündete Mina, sie müßte zur Toilette.
    Der Wachtposten sagte zu Renee: »Kommen Sie mit, ich bin kein Kindermädchen«, und winkte mit seinem Gewehr, um ihnen zu bedeuten, daß sie vor ihm hergehen sollten.
    Als Renee in dem stickigen, übelriechenden kleinen Häuschen auf Mina wartete, hörte sie, wie der Wachtposten draußen jemanden grüßte, der vorüberkam. Gleich darauf vernahm sie Bills Stimme und spitzte die Ohren.
    »Wiggy gefällt die Sache nicht, aber ich bin der Meinung, daß es getan werden muß.«
    »Er ist sowieso ein komischer alter Kauz«, sagte der Wachtposten.
    »Vielleicht könnten wir deinen Wagen nehmen, mit dem Scheinwerfer?«
    »Klar, ich mach’ mit.«
    »In Ordnung«, meinte Bill. »Ich schlage vor, wir fahren gleich nach dem Abendessen los, wenn Wiggy sich auf dem Kurzwellensender die deutschen Nachrichten anhört.«
    »Ist mir recht«, versetzte der Wachtposten.
    Die sprechenden Stimmen entfernten sich und wurden leiser, und sie öffnete die Tür einen Spalt, um noch mehr zu hören, doch sie fing nur ein einziges Wort auf, das Wort ›Juden‹.
    »Das wird ihnen noch leid tun«, sagte Mina, als sie aufstand.
    »Was meinst du damit, Liebes?«
    Sie traten aus dem Häuschen in den Sonnenschein des späten Nachmittags und warteten auf die Rückkehr des Postens.
    »Sie haben gesagt, daß Barry sein blaues Wunder erleben wird«, erklärte sie mit einem seltsamen Lächeln auf dem Gesicht. »Und das wird ihnen noch leid tun.«
    »Aber Mina«, sagte Renee ungläubig, »konntest du denn hören, was sie gesprochen haben?«
    »Ja«, versicherte das kleine Mädchen. »Ich hab’ fast so gute Ohren wie die große Miezekatze.«
    Und damit schlenderte sie in ihrem Großmannsgang zur Hütte zurück, wobei sie lässig die Füße nach außen schwang und mit den Absätzen die Fichtennadeln aufwirbelte. Einmal drehte sie sich nach ihrer Mutter um und grinste verschmitzt.
    Renee wußte nicht, ob sie ihrer Tochter glauben sollte, doch es sah Bill ähnlich, eine ganze Mannschaft zusammenzutrommeln, um Barry außer Gefecht zu setzen. Sie spürte, wie ihr Magen sich zusammenknotete, doch dann sagte sie sich, daß das lächerlich war. Barry war schließlich kein kleines Kind. Er hatte wahrscheinlich längst die Polizei unterrichtet, und diese schwachsinnigen Möchtegern-SSler würden höchstens im Gefängnis landen, wenn sie sich auch nur in die Nähe des Hauses in Albuquerque wagten. An diesen Gedanken klammerte sie sich, an die Tatsache, daß die Hüter des Gesetzes schließlich auf ihrer Seite standen, und sie beschloß, sich unter allen Umständen ihre Zuversicht zu bewahren und aufkommender Schwäche oder Hysterie nicht nachzugeben, sondern sich darauf zu konzentrieren, Barry eine Nachricht zu hinterlassen, die er finden mußte, falls er zu spät hierherkommen sollte.
    Es gelang ihr festzustellen, daß die Gruppe, die nach dem Abendessen aufbrechen wollte, aus vier Männern bestand, die alle mit Gewehren bewaffnet waren und in dem alten Plymouth fahren wollten. Sie sah auch, daß Ludwig von dem Plan wußte, und hörte, wie der kleine Mann sich mit den beiden Rekruten beriet, die Deutsch sprachen. Da die ganze Besprechung in dieser Sprache stattfand, konnte sie nicht verstehen, worum es ging. Ständig passierte ihr irgendein Mißgeschick, während sie die Hütte aufräumte, entweder sie ließ etwas fallen, oder sie verschüttete etwas, und so war sie froh, daß die

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