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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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meinem Raumsinn fest, obwohl sie leicht zu sehen sind, da sie eine Taschenlampe bei sich tragen. Ja, da ist, wie ich jetzt sehe, noch eine Hütte. Ich erkunde sie mit meinen Sinnen, entdecke hier jedoch keinen Wachtposten. Die beiden Männer steigen zur Veranda hinauf und verschwinden in dieser größeren Hütte. Ich muß wissen, wie viele Männer da drinnen sind. Lautlos schleiche ich mich zu einem Seitenfenster und lausche, während ich gleichzeitig mit meinem Raumsinn in allen Richtungen nach nahenden Menschen spüre. Ich muß es riskieren und durch das Fenster hineinspähen, um festzustellen, ob da nur zwei oder drei drinnen sind oder vielleicht zwanzig. Ganz vorsichtig schiebe ich mein Auge aufwärts zur Glasscheibe, doch ein Teil des Fensters ist durch eine Kommode oder irgendein anderes Möbelstück verdeckt, so daß ich mich noch höher schieben muß, um darüber hinwegsehen zu können. Als ich endlich klare Sicht ins Innere habe, wo etwa zehn Männer trinkend um einen Tisch sitzen und Radio hören, schießt plötzlich auf der anderen Seite des Fensters direkt vor mir das Gesicht eines Mannes empor. Ein Gesicht mit weit aufgerissenen Augen, zerzaustem schwarzen Haar und einem kleinen Bärtchen über dem aufgeklappten Mund. Mit einem Fluch ducke ich mich, doch ich höre wohl, wie das Gesicht drinnen lauthals zu schreien anfängt, während ich schon in den Wald hineinhusche.
    »Hilfe! Ich hab’s gesehen! Es ist da draußen. Allmächtiger, ich hab’s gesehen. Ich hab’ ein riesiges Monstrum gesehen, und es hat durch das Fenster hereingeschaut. Herrgott noch mal, mach doch die Tür zu. Wo ist mein Gewehr?«
    Das Gebrüll geht weiter, während ich eilig den Hang hinaufschleiche. Zum Teufel mit meiner Pedanterie! Warum mußte ich ihre Zahl auch unbedingt genau wissen? Ich hatte mein Gesicht genau über einem der Stockbetten, als der Mann, der darin lag, sich aufsetzte. Ja, jetzt wird gleich die Hölle losbrechen, sage ich mir einigermaßen bedrückt, während ich mich an die kleinere Hütte heranpirsche. Die Frau und das Kind habe ich in der großen Hütte nicht gesehen; vielleicht also befinden sie sich in dieser hier. Hinter mir höre ich die Männer aus der größeren Hütte stürzen. Ihr prahlerisches Gebrüll schallt laut durch die Dunkelheit. Schade. Nun wird es doch Verletzte geben.

    Renee setzte sich am Tisch nieder, als sie hörte, wie draußen der Wagen tuckernd zum Stehen kam und die Männer unter Geschrei und Geschimpfe heraussprangen. Das Poltern ihrer Stiefel klang über die Veranda. Krachend flog die Tür gegen die Wand, und Bill stand in der Öffnung, das Haar in wirren Strähnen, die Augen haßerfüllt wie die eines wütenden Tieres, das gleich zubeißen wird. Leicht wie ein dürres Ästchen schwang er das Gewehr in der Hand, als er mit großen Schritten durch den Raum ging und vor Renee stehenblieb.
    »Er ist tot«, sagte er und beugte sich vor, so daß seine blutunterlaufenen Augen ihrem Gesicht ganz nahe kamen. »Dein Liebhaber, das Judenschwein, ist tot – zu einem Häufchen Asche verbrannt. Hast du gehört?«
    Sie saß wie erstarrt, mit den Händen die Tischkante umklammernd. Sie glaubte ihm nicht, sah nur diesen massigen, wahnsinnigen Menschen, der da vor ihr stand, gefährlich wie ein tollwütiger Hund. Sie blickte in die haßerfüllten Augen und sagte nichts.
    »Du glaubst mir wohl nicht, was? Dann komm doch raus auf die Straße! Ich zeig’ dir das Auto mit seiner verkohlten Leiche, den kleinen Model-A, den er fährt. Das stimmt doch, oder?« Er grinste, als ihr Gesicht sich vor Qual verzerrte. »Und er ist tot! Tot!« brüllte er, und Speicheltröpfchen aus seinem Mund flogen ihr ins Gesicht.
    Sie wagte nicht, die Tischkante loszulassen, wagte nicht, über den Moment hinauszudenken, als dieser Wahnsinnige die Hütte betreten hatte, weigerte sich, über diesen Augenblick hinauszudenken. Keiner ihrer Gedanken durfte jenen Zeitpunkt überschreiten, als Barry noch eine Realität gewesen war.
    Bill schleuderte das Gewehr auf den Tisch, beugte sich so weit vor, daß sein schweißüberströmtes Gesicht beinahe das starre, beherrschte der Frau berührte, und wollte eben etwas sagen, als von draußen lautes Alarmgeschrei den Hang heraufschallte. Er fuhr hoch und blickte an der Lampe vorbei, die vom Mittelbalken herabhing, zum schwarzen Fenster hinüber.
    Plötzlich kreischte Mina auf, als hätte jemand sie mit einer Nadel gestochen.
    »Sie ist da!« schrie sie triumphierend. »Die große

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