Werwelt 02 - Der Gefangene
nächste Woche im Journal erscheinen soll«, erklärte Barry. »Über die ausgestoßenen Kinder in Isleta und anderen Orten.«
»Ach so, ich verstehe«, meinte der Beamte, während er etwas in sein kleines Notizbuch schrieb. »Meinen Notizen zufolge haben die Nachbarn hier den ganzen Tag kein Fahrzeug halten sehen.«
Mit ausdruckslosem Blick sah er Barry an, der sich bemühte, ruhig und gelassen zu sein, obwohl er am liebsten aus dem Haus gelaufen wäre, um Renee und Mina zu suchen.
»Es hat aber ein Auto hier gehalten«, versetzte Barry. »Vorn sieht man noch die Reifenspuren.«
»Meinen Notizen zufolge haben die Leute von der Spurensicherung vor dem Haus keine ungewöhnlichen Spuren feststellen können, die darauf schließen ließen, daß hier ein Auto angehalten hat.« Mit Unschuldsmiene sah er Barry an. »Außer ihr eigenes Auto natürlich.«
Barry spürte, wie die Wut in ihm aufstieg, und er kämpfte sie nieder. Sein Gesicht wurde rot, der Beamte hielt es wahrscheinlich für ein Zeichen von Schuldbewußtsein.
»Trotzdem«, entgegnete er ruhig, die Sessellehnen umklammernd, »hat hier ein Auto gehalten, und zwar ein Auto, das Bremsflüssigkeit verloren hat.«
Er brach ab, da ihm klar wurde, daß der menschliche Geruchsinn nicht scharf genug war, diese feine Spur aufzunehmen, und daß er von dem Beamten kaum erwarten konnte, daß dieser mit ihm hinausging, um im Schmutz der Straße vor seinem Haus nach einem winzigen Tropfen Bremsflüssigkeit zu schnüffeln, der inzwischen wahrscheinlich längst in der Hitze der Sonne verdampft war. Er schüttelte den Kopf und wartete auf die nächste Frage. Sie kam nicht.
Der Beamte klappte sein kleines Notizbuch zu, schob’s in seine Hemdtasche und stand auf.
»Mr. Golden«, sagte er, seine Oberlippe hochziehend, »wir werden selbstverständlich alles tun, was in unserer Macht steht, um ihre Familie ausfindig zu machen.«
Barry stand ebenfalls auf und hätte dem Beamten beinahe die Hand geboten, doch der wandte sich schon zur Tür.
»Inzwischen, Mr. Golden«, sagte er und drehte sich so rasch um, daß Barry beinahe in ihn hineingelaufen wäre, »möchten wir Sie bitten, daß Sie hier im Hause bleiben, damit wir Sie wenn nötig sofort erreichen können. Auf jeden Fall müssen wir Sie bitten, in der Stadt zu bleiben. Ist das klar?« Die letzte Frage war ein Befehl.
»Ja«, antwortete Barry. »Aber ich könnte Ihnen vielleicht helfen –«
»Für uns ist es die größte Hilfe, Mr. Golden, wenn Sie hier im Haus am Telefon bleiben, wo wir Sie jederzeit erreichen können, falls wir Sie brauchen«, erklärte der Beamte und zupfte mit spitzen Fingern an Barrys Hemdsärmel, als wollte er die Qualität des Stoffes prüfen.
»Hallo, Walter?« Die Verbindung war fürchterlich. Schrilles Kreischen wechselte mit Summtönen und Fading ab. Er hörte etwas, was wie eine Männerstimme klang, dann wieder nichts als Knistern und Rauschen.
»Walter? Hier spricht Barry.«
»Hallo, Barry, was gibt’s denn …« Die Stimme erstarb in einem Wirrwarr von Geräuschen.
Barry wartete, bis er am anderen Ende der Leitung etwas zu hören glaubte und sagte: »Walter, ich möchte mit Vaire sprechen.« Und dann schrie er: »Es ist wichtig!«
Wieder wartete er, daß das Knistern und Knacken aufhören würde.
»Warum rufst du an?« kam Walters unerschütterliche Stimme so klar, als befände er sich im nächsten Zimmer.
»Walter, Renee ist entführt worden, glaube ich«, rief Barry verzweifelt, als erneut Störungen einsetzten.
»Hallo, Barry, warum rufst du an? Kannst du ein bißchen lauter sprechen, ich – ich …«
»Gott verdammich noch mal!« brüllte Barry. »Ich will deine Frau sprechen.«
Ganz plötzlich, wie durch Zauber, war Vaires Stimme da, so ruhig und heiter wie immer.
»Barry, bist du das?«
»Vaire, Gott sei Dank! Vaire, Renee und Mina sind entführt worden, von Bill glaube ich. Zumindest habe ich einigen Grund anzunehmen, daß er es war.«
Er wartete erregt, ob er diesmal durchgekommen war, und war erleichtert, als er klar und deutlich Vaires Ausruf des Schreckens hörte.
»Entführt? Barry, hab’ ich dich richtig verstanden?«
»Ich glaube, Bill kam hierher, während ich unten in Isleta war, das ist ein indianisches Dorf hier in der Nähe. Ich mache einen Artikel darüber. Er hat sie einfach mitgenommen. Es fehlen ein paar Kleider, aber Renee hat mir keinen Brief oder sonst was hinterlassen. Weißt du irgendwas, was mit helfen könnte, sie zu finden?«
Die
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