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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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mitten im tiefsten Winter auf die Suche nach ihr machen, und sie würde nicht mehr da sein. Nun, die Zeit der Verzweiflungsausbrüche war vorüber. Eine Apathie hielt sie umfangen, die jeden heft i gen Ausbruch verhinderte. Sie hatte den Verdacht, daß das Tier sie unter Kontrolle hielt, doch sie konnte nicht ersp ü ren wie, und sie konnte sich auch nicht dagegen wehren. Die meiste Zeit war es so, als befände sie sich unter der Einwirkung irgendeiner Droge. Sie lehnte sich zurück, zog die Kinder an sich, und nach einer Weile schlief sie ein.
    Lilly träumte, als sie die Wasserscheide überquerten und die lange Abfahrt nach Südwesten begannen, die aus dem Gebirge herausführte, den Wüsten entgegen, wo in einem bitterkalten Hogan, der aus Baumstämmen und Lehm g e baut war, eine junge Indianerin lag und keuchend um Atem rang. Sie spürte die Kälte des Todes in ihren Beinen unter den Decken, und die Kälte des Winters, die aus der Erde aufstieg, auf der sie lag. Es war kein anderer Mensch in dem Hogan, und seit Tagen hatte sie dort allein gelegen, während das Fieber sie langsam auffraß. Ein letztes z u ckendes Frösteln lief über sie hin und verrann, und sie füh l te, daß es das letzte Fünkchen Körperwärme mit sich nahm. Sie versuchte, Zorn in sich anzufachen gegen den, der sie sterbend hier zurückgelassen hatte, doch sie fand nicht einmal die Kraft, Schlechtes von ihm zu denken. Und als dann die Kälte langsam in ihre Brust kroch, sah sie ihren Großvater neben dem Lager aus Fellen und Decken stehen, auf dem sie zwei Wochen lang gelegen hatte. Sein Gesicht schien jünger als damals, vor vielen Wintern, als sie ihn sterben gesehen hatte, und er trug die Amuletts und das Heilige Hemd, die er immer a n gelegt hatte, wenn er die heilenden Gesänge gesungen hatte. Jetzt hielt der alte Mann ihr die Gebetsstäbchen hin, damit sie sie sehen kon n te, steckte sie dann wieder in die Tasche aus Hirschhaut, die um seinen Hals hing, und streckte ihr, die Arme weit ausgebreitet, seine Hände en t gegen. Er lächelte und blickte aufwärts, als wollte er die Segnung der Sonne entgege n nehmen. In diesem Augenblick verspürte die junge Indi a nerin keine Kälte mehr. Sie erhob sich, um sich neben i h ren Großvater zu stellen. G e meinsam hoben sie ihre Arme.
    Bittere Kälte wehte durch die breiten Straßen von Salt Lake City, als Bo mit dem Koffer in der Hand vom Bah n hof zum Geschäftsviertel marschierte, wo er ein Hotel zu finden hoffte. Ehe er eines fand, stieß er auf eine hohe Sä u le, auf deren Spitze eine Möwe schwebte, und gewahrte aus der Ferne eine wuchtige Kathedrale, von deren Höhe ein ve r goldeter Engel herabblickte, der sich im Winterwind hin und her zu wiegen schien. Bo meinte, es müßte eine Si n nestäuschung sein. Er war so müde, und es war schon be i nahe dunkel. Er blieb stehen und starrte offenen Mundes zum Moroni mit seiner Trompete hinauf, und es sah ta t sächlich so aus, als bewegte sich der Engel im Wind. Bo schüttelte den Kopf und marschierte weiter.
    Nach drei Tagen zog er in ein möbliertes Zimmer weiter außerhalb um. Es war zwar umständlicher, von da aus zu den Busdepots und den Bahnhöfen zu kommen, wo er sich nach Lilly erkundigen wollte, doch er wußte, daß sein Geld bei dem Preis, den er in der Stadt zahlen mußte, höchstens eine Woche reichen würde. Er stapfte durch den Schnee zu fünf verschiedenen Bahnhöfen, zwei Bushöfen und einem Flugh a fen, fragte jeden Angestellten, der in den vergang e nen zwei Wochen Dienst gehabt haben könne, ob er eine Frau gesehen hätte, die Ähnlichkeit mit dem Bild hatte, das er in seiner Brieftasche trug. Die meisten erklärten, sie s ä hen so viele Leute, daß sie sich an ei n zelne Gesichter gar nicht erinnern könnten, es sei denn, es handelte sich um einen Verrückten oder eine Schönheitskönigin. Bo hatte das G e fühl, daß sie sich gar nicht in der Stadt aufhielt, doch er fra g te weiter, trieb sich fast täglich an den Bahnhöfen herum, so daß mehr als einmal Polizeibeamte auf ihn au f merksam wurden. Wenn er ihnen dann seine Geschichte erzählte, hörten sie zwar tei l nahmsvoll zu, fuhren aber fort, ihn zu be o bachten.
    Nach acht Tagen kehrte er in sein möbliertes Zimmer z u rück und schlief zwölf Stunden durch. Als er am Morgen des fünfzehnten Februar aufstand, beschloß er, sich nach Arbeit umzusehen. Sie war hier gewesen, war vielleicht noch immer hier, sagte er sich. Vielleicht würde er ihr s o gar rein zufällig

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