Werwelt 03 - Der Nachkomme
auf der Straße begegnen. Doch irgend etwas in seinem Inn e ren fühlte sich leer an, und im Grunde erwartete er nicht, daß sie ihm hier eines Tages in die Arme laufen würde. Aber er wußte nicht, wohin er sich sonst wenden sollte, und er hatte Bud Hopps gebeten, seine Post für ihn entgegenzunehmen und es ihn wissen zu lassen, wenn ein Brief von Lilly kam. Er kleidete sich an und ma r schierte wieder hinaus in die Kälte, diesmal auf der Suche nach e i nem Juweliergeschäft.
Er versuchte sein Glück in der Innenstadt und nahm die Geschäfte einfach, so wie sie kamen. Und jedesmal wußte er Bescheid, sobald er durch die Tür trat: Dieser Laden hier hatte einen ausgezeichneten Uhrmacher, und dieser andere war auf Ringe und auf das Fassen guter Steine spezialisiert, und der hier verkauft in erster Linie Tafelsilber. Fremd j e doch waren ihm die indianischen Läden, in deren Fenstern an Schnüren aufgereiht schwere silberne Armbänder und Türkisketten hingen. Einmal blieb er stehen, die Schultern im frostigen Wind zusammengekrümmt, um sich einige dieser Stücke näher anzusehen. Sie waren primitiv gearbe i tet in ihrer Gedrungenheit aus Metall und ungeschliffenen Steinen, zugleich aber hatten sie eine Anmut, die ihn i m mer wieder fesselte, während er die Ringe und die Ar m bänder aufmerksam betrachtete. Er sah mit Entzücken die furchtlose Schlichtheit und Wiederholung der Muster. Ein solch leidenschaftliches Interesse am Entwurf hatte er seit den frühen Tagen seiner Berufsausübung nicht mehr ve r spürt; seit jenen Tagen nicht mehr, als seine Phantasie noch nach den Sternen gegriffen hatte, als er gemeint hatte, got i sche Geistigkeit in einem schlichten Verlobungsring ei n fangen zu können oder die Unerschütterlichkeit ewiger Liebe in einem glänzenden Trauring. Er warf einen Blick auf das Schild an der Tür: Navajo Schmied.
Er ging weiter zum nächsten Laden, einem Juwelierg e schäft von der Art, die ihm vertraut war. Als er eintrat, bimmelte irgendwo im Hintergrund ein silberhelles Glöc k chen, und ein kleiner, wuschelhaariger Mann, eine goldg e ränderte Brille mit runden Gläsern auf der Nase, kam hinter einem Vorhang hervor. Der Laden war kleiner, als Bo g e glaubt hatte, und er war drauf und dran, wieder zu gehen, da er schon im voraus wußte, daß dies nur ein Ein-Mann-Unternehmen sein konnte.
Der wuschelhaarige Juwelier sah seine Unschlüssigkeit.
»Wie? Sie wollen doch nicht schon wieder gehen? Sie sind doch gerade erst gekommen«, sagte er und lächelte so breit, daß seine Brillengläser auf den runden Wangen au f zusitzen schienen.
»Ich würde Ihnen wahrscheinlich nur die Zeit stehlen«, versetzte Bo. »Ich will nichts kaufen. Ich möchte etwas verkaufen.«
»Schön, dann verkaufen Sie«, meinte der kleine Mann und winkte mit der Hand, als er wieder nach hinten ging. »Kommen Sie mit zum Tisch und zeigen Sie her.«
Bo folgte mit zögerndem Schritt, bedauerte es, den L a den betreten zu haben. Der Mann hatte ihn mißverstanden, glaubte, er wäre ein Vertreter.
»Nein«, sagte er in entschuldigendem Ton, »ich meine damit, daß ich Arbeit suche.«
»Ich habe auch nicht gedacht, daß Sie von einem der großen Unternehmen kommen. Wo ist Ihr Musterkoffer?«
Der kleine Mann setzte sich hinter eine Vitrine und b e deutete Bo, auf dem Kundenstuhl gegenüber Platz zu ne h men. »Wenn Sie in meinen Laden kommen, sind Sie her z lich eingeladen zu versuchen, Ihre Waren an den Mann zu bringen, welcher Art auch immer sie sind. Wir wollen ja schließlich alle ve r kaufen, ist das nicht so?«
Das Lächeln des Mannes und seine ungezwungene Art nahmen Bo die Befangenheit. Und es war ja offensichtlich auch ein müder Morgen; es waren keine anderen Leute im Laden. Er setzte sich also und legte seinen Hut neben sich auf den Boden.
»Na also«, sagte der Juwelier. »Das ist schon besser.« Er bot Bo eine überraschend schmale und kräftige Hand. »Mein Name ist Solomon McArdle. Und Sie sind?«
»George Beaumont.« Bo nahm die Hand, spürte die Kraft, die in ihr lag, und mochte den Mann auf Anhieb. »Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht, daß ich nur in Ihren Laden gekommen bin, weil ich Arbeit suche.«
»Bis jetzt bin ich nicht enttäuscht, Mr. Beaumont, aber ich weiß ja auch noch nicht, was Sie können, wieviel Geld Sie dafür haben wollen und ob es mir gefallen wird.«
»Ja wissen Sie, ich sehe schon, daß Sie hier einen Ein-Mann-Betrieb haben, und ich hatte mir eigentlich vorge s tellt, bei
Weitere Kostenlose Bücher