Werwelt 03 - Der Nachkomme
wird langsam wieder besser.« McArdle schlürfte wieder einen Schluck Kaffee. »Ich hab das Gefühl, mit I h nen könnte ich einen Fund gemacht haben, Mr. Beaumont. Würden Sie eine Probearbeit für mich anfertigen?«
»Natürlich, jederzeit«, antwortete Bo und grinste plöt z lich.
»Ach, so gefallen Sie mir gleich viel besser. Ja, ich sehe schon, Sie wollen wirklich arbeiten«, stellte McArdle fest und lächelte ebenfalls. »Schön, ich hab ’ da eine kleine Gravierarbeit, das übliche, eine hübsche kleine Inschrift auf einem silbernen Becher, Sie wissen schon.«
Bo nickte. »Auf dem Gebiet hab ’ ich viel gemacht, ja h relang.
Das ist genau das Richtige für mich, um wieder reinz u kommen.«
»Sie haben Ihre Werkzeuge?«
»Ja, ich hab ’ sie vor zwei Tagen bekommen. Ich hab ’ sie mir schicken lassen, nachdem ich mich entschlossen hatte zu bleiben.« Verlegen hielt er inne. »Was ich noch sagen wollte – Mr. Kneipe, mein Arbeitgeber in Whitethorn, war ziemlich verärgert, als ich ging, wissen Sie. Ich war schwerkrank und mußte zu einem Spezialisten an der Os t küste, und da mußte ich mir gerade zu der Zeit Urlaub nehmen, als das Weihnachtsgeschäft losging, und –«
»Und deshalb ist er jetzt nicht bereit, Ihnen eine Em p fehlung zu geben«, schloß McArdle. Er stand auf, die Hä n de an den E ck en seiner Weste. »Wie lange haben Sie für diesen Mann gearbeitet?«
»Vierzehn Jahre«, antwortete Bo, nachdem er im Geist zusammengezählt hatte. Er hatte sich nie klargemacht, daß er so lange bei Kneipe gewesen war.
»Na, vierzehn Jahre lang können Sie wohl kaum sein Geschäft ruiniert haben.«
»Ich hinterlege gern eine Garantie für meine Arbeit«, sagte Bo und griff zu seiner Brieftasche.
»Natürlich«, erwiderte McArdle. »Aber darüber können wir reden, wenn sie die Becher richtig zerkratzt haben, in Ordnung?«
Er kam um den kleinen Tisch herum, um Bo die Hand zu schütteln. »Und jetzt bekommen wir gleich einen Ku n den.«
Ehe Bo sich herumdrehen konnte, bimmelte die kleine Glocke.
Überrascht sah er den Juwelier an.
»Sie haben schon eine ganze Weile draußen gestanden und sich die Ringe angesehen«, flüsterte McArdle. »Ja, ja, die Liebe. Da dreht sich die Welt wieder ein Stückchen.«
Und mit raschem Schritt ging er nach vorn.
In den folgenden Tagen stürzte sich Bo beinahe mit Wonne auf die Arbeit, die McArdle ihm anvertraute. Er begann mit den einfachen Dingen und machte auch die kleinsten Arbeiten mit liebevoller Genauigkeit, nicht weil er seinen Chef und neuen Freund beeindrucken wollte, sondern weil es ihn befriedigte. Jeden Morgen fühlte er sich ein wenig wohler, spürte, daß er allmählich wieder ein Mensch wurde. Abends machte er jetzt häufig Spaziergä n ge in dem großen Park in der Nähe seines möblierten Zimmers und wanderte hin und wieder auch zum Temple Square, wo abends die Flutlichter eingeschaltet wurden, in deren Glanz der Platz mit seinen Gebäuden wie ein Schloß in den Wolken au s sah. Er fühlte sich wieder beschäftigt und engagiert und begann wieder in der Gegenwart zu l e ben, auch wenn er nie aufhörte, an Lilly zu denken, nie aufhörte, nach ihr Ausschau zu halten, auf Nachricht von ihr zu warten. Als der März kam, fühlte er sich beinahe zu Hause in Salt Lake City und freute sich auf jeden Tag, wo er im Souterrain in McArdles großem Laden, dem Ritz in der State Street, a r beiten konnte. Er war als Einzelgänger bekannt, und wenn er auch hin und wieder mit Tom Tin g ley, seinem Mitarbeiter, ins Kino ging oder einer Einl a dung zum Essen bei den McArdles, die ein wunderschönes Haus in East Bench ha t ten, folgte, so tat er doch nicht viel, um Freundschaften zu kultivieren.
Es war ein Freitagabend, der vierte März, und Bo hatte eine Reihe von Entwürfen für Armbänder ausgearbeitet, die er McArdle zeigen wollte. Sie zeigten eindeutig indi a nischen, oder wie Bo gesagt hätte, primitiven Einfluß; und doch waren sie anmutig, und die Verarbeitung schrieb planebene Fassungen und geschliffene Steine vor. Er war mit Feuereifer bei der Sache und arbeitete bis weit nach Mitternacht, als seine Augen so heftig zu brennen bega n nen, daß er zu Bett gehen mußte.
Während er in der Dunkelheit seines Zimmers lag, fühlte er sich angespannt und verkrampft vom langen Sitzen an seinem Arbeitstisch und versuchte, seine Muskeln einen nach dem anderen zu entspannen, bei den Zehen angefa n gen, so wie Lilly ihn das vor Monaten gelehrt hatte, als er krank
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