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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Achse. Der alte Kneipe bekommt einen To b suchtsanfall, ging es ihm durch den Kopf, als er durch den Schnee zur nächsten Telefonzelle stapfte. Zwei Stunden später saß er im Rock Island Rocket nach St. Louis und überlegte, wie er in einer Stadt, die er noch nie gesehen hatte, Lilly und das Tier aufstöbern sollte. Immer wieder betastete er den Rand der Karte, die in seiner Brus t tasche steckte, und dachte, sie ist in Salt Lake City und da fahre ich hin. Ich werde sie finden.
    Seit einer ganzen Weile hatte sie nun schon ihre eigenen Kümmernisse vergessen, die schreckliche Untergang s stimmung, die sie von den anderen Menschen im Zug g e trennt hatte. Immer langsamer waren sie durch die Berge gefahren, während die Schneewehen zu beiden Seiten i m mer höher geworden waren, bis der Zug schließlich durch einen blendend weißen Tunnel zu rollen schien. Einmal, als sie in Serpentinen an der Flanke eines Bergs entlangkr o chen, ließen sie die Schneewehen hinter sich und sahen jenseits des Abgrunds eine weite ferne Welt schneebedec k ter Berggipfel und Täler, so dicht bewaldet, daß sie wie ein grüner Teppich in der Tiefe zu liegen schienen. Dann tür m ten sich wieder Schneewehen zu beiden Seiten und rundh e rum fiel der Schnee in dichten Flocken, während sie ke u chend aufwärtskrochen. Als es wieder bergab ging, hielt der Zug immer wieder an, bis schließlich die Meldung kam, daß sie in riesigen Schneeverwehungen steckenge b lieben waren und warten mußten, bis Pflüge aus Raton h e raufkamen, um die Geleise wieder freizulegen.
    Während der ersten Stunde hatten die Schaffner alle Hände voll damit zu tun gehabt, die Leute zu beschwicht i gen, doch als es dann langsam in den Waggons immer kü h ler wurde, sorgte sich niemand mehr darum, ob er rechtze i tig nach Santa Fe kam. Nun galt die Sorge dem eigenen Leben. Nach drei Stunden am Berg war es in den unbehei z ten Waggons so kalt geworden, daß das Wasser in den K a nistern gefror, und die Passagiere wurden gebeten, die To i letten nur zu benützen, wenn es absolut notwendig war.
    Lilly kümmerte sich um drei Kinder, deren Mutter krank war. Sie hockten jetzt zusammengekuschelt unter ihren Mänteln und einer Decke, die der Schaffner gebracht hatte. Der Junge hatte eine starke Erkältung und hustete, den Kopf an ihre Schulter gelegt, beinahe unaufhörlich. Sie erzählte ihnen Geschichten, die wärmsten, die ihr einfielen. Während sie ihnen das Märchen von der Schönen und dem Tier erzählte, und die beiden kleinen Mädchen bereits ei n geschlafen waren, flogen ihre Gedanken immer wieder zu dem Rätsel, das unablässig an ihr nagte. Als auch der Junge einnickte und im Schlaf sogar zu husten aufhörte, fragte sie ihr eigenes Tier, warum es nicht möglich war.
    › Warum mußt du dich in jemand anderen verwandeln? ‹
    › Du bist nicht geeignet. ‹
    › Wie kannst du so unbekümmert sein? Ich dachte, du magst die Menschen. ‹
    › Ich habe erfahren, daß die Menschen zur Vollendung meiner Wandlung notwendig sind, und ich mag sie. ‹
    › Aber trotzdem willst du mir alles nehmen. ‹
    › Du hattest bereits ein Leben gelebt, bevor ich dich empo r rief. ‹
    › Warum hast du mich dann gerufen? ‹ Sie war wieder völlig verzweifelt und den Tränen nahe.
    › Die Wahl unterliegt der Notwendigkeit des Anlasses. ‹
    › Damals also war ich geeignet? Warum nicht jetzt? ‹
    › Die Zeit der Wandlung ist schwierig. Schweres muß vollbracht werden. ‹
    › Aber ich kann –‹
    › Du wirst wieder in dein eigenes Schicksal eintreten, wenn ich dich freigebe. ‹
    › Du meinst, ich bin dann wieder tot. ‹
    › Wenn du es so sagen willst, ja. Doch du bist ein Mensch und du vergehst nicht. ‹
    In diesem Augenblick machte der Zug einen plötzlichen Ruck, und ein Aufschrei der Überraschung wurde unter den Passagieren laut, von denen die meisten geschlafen oder vor sich hingedämmert hatten. Die Pflüge hatten sich jetzt zu ihnen durchgearbeitet, und in einer halben Stunde würde die Fahrt weitergehen. Der Schaffner, aus dessen Mund weiße Atemwölkchen aufstiegen, meldete lächelnd, daß die Heizung gleich wieder funktionieren würde. Die drei Ki n der schliefen ruhig weiter, und Lilly hörte auf zu fragen. Sie konnte die Antwort nicht begreifen; sie verstand nur, daß sie in den Tod zurückkehren mußte. Und das war schließlich das einzige, was zählte. Es wurde ihr schwer, nicht noch einmal an Bo zu schreiben, doch es wäre ja sinnlos gewesen. Er würde sich

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