Werwolf-Spuk
weit sein.
Noch hatten wir eine Chance. Und wir hofften auch, dass er reden konnte. Ich holte mir die Kerze, zündete den Docht wieder an und stellte das Licht auf einen Stuhl. Viel brauchte es nicht, aber unser Freund lag nicht mehr ganz im Schatten. Außerdem besaßen wir noch unsere Lampen. Ich machte davon Gebrauch.
Den Strahl schickte ich zuerst in das Gesicht der Kreatur, wobei ich weder einen Menschen noch einen Wolf vor mir sah. Von beidem war etwas zu sehen.
Die Proportionen hatten sich verschoben. Haare wuchsen zudem dicht wie ein Bart. Der Mund war nach vorn gezogen und bildete so etwas wie den Beginn einer Schnauze. Die Lippen schimmerten bläulich, und auch die Nase sah aus, als wäre sie ein Stück in das Gesicht hineingewachsen. Dabei hatte sich die Stirn verbreitert und nach vorn gewölbt.
Die Haut an den Händen wirkte faltig, sofern sie durch den dichten Haarwuchs überhaupt zu sehen war. Das Haar war dichter geworden und wuchs jetzt lang bis über die Ohren.
Suko runzelte die Stirn und fragte mit leiser Stimme: »Was machen wir jetzt mit ihm?«
»Er ist unsere einzige Spur.«
»Verstehe, John. Du willst ihn nicht aus den Augen lassen.«
»Ja, denn ich weiß auch, dass er am frühen Morgen wieder normal werden wird. Noch hat ihn die Vollmondphase nicht ganz erwischt, und so haben wir eine Chance, denke ich. Er hat von Dundee gesprochen, richte dich darauf ein, dass wir mit ihm dorthin fliegen müssen. Es ist wichtig, an die Quelle zu gelangen.«
»Wird bestimmt ein netter Flug.«
»Wenn Irving sich wieder zurückverwandelt, kannst du damit Recht haben.«
»Darauf setzt du?«
»Klar.«
Wir hatten so laut gesprochen, dass unser Freund mithören konnte. Auch wenn er alles verstanden hatte, er reagierte nicht. Wie von einer dumpfen Glocke umhüllt blieb er liegen und wartete darauf, was weiterhin passierte.
Natürlich würden wir den Waggon verlassen und den Veränderten dorthin schaffen, wo er sicher war. In eine der Zellen bei Scotland Yard. Nach Hause fahren würde ich nicht. Einer musste in seiner Nähe bleiben. Ich wollte im Yard übernachten und sagte Suko, dass er sich um die anderen Dinge kümmern sollte. Vor allen Dingen Tickets besorgen und meine Reisetasche packen. Da kannte er sich aus.
Er hatte auch nichts dagegen, glaubte aber nicht daran, dass wir Irving so einfach wegbringen konnten. Wenn wir ihn aus diesem lethargischen Zustand herausrissen, würde er sich bestimmt wehren und durchdrehen. Noch war er friedlich. An seine keuchenden Atemgeräusche hatten wir uns längst gewöhnt. Da erinnerte nichts an das Knurren einer Bestie.
Wir zerrten ihn gemeinsam hoch und waren darauf eingestellt, dass er sich wehren würde.
Er tat es nicht. Es steckte noch nicht die wilde Gier nach Blut und Zerstörung in ihm. Das Sein als Raubtier und das als Mensch hielten sich die Waage.
Die Fesseln würden wir ihm nicht abnehmen, auch wenn er nur kleine Schritte gehen konnte. Wir stützten ihn von zwei Seiten. Ich ging hin und zog die Waggontür auf. Die noch brennenden Kerzen löschte ich. Der Blick nach draußen war normal. Es gab nichts, was uns hätte erschrecken können. Da wartete kein weiterer Werwolf und auch keine andere Kreatur. Ich kletterte auf das Schienengelände und wartete darauf, dass Suko mit den Mann entgegen warf. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.
Amos Irving fiel, ich fing ihn auf, und sein Gewicht hätte mich beinahe von den Beinen gerissen. Ich konnte ihn trotzdem festhalten und zog ihn zur Seite.
Suko verließ ebenfalls den Waggon. Zu dritt machten wir uns auf den Rückweg. Da Irving nur kleine Schritte machen konnte, würde es verdammt lange dauern. Das wollte Suko nicht. Nach nicht mal einer Minute war er es Leid. Er wuchtete sich den Körper über die Schulter, und ab jetzt ging es wesentlich schneller, sodass es nicht mehr lange dauerte, bis wir den Rover erreichen.
Für uns gab es einen neuen Fall. Und leider stand er erst am Anfang...
***
Im Bereich der Zellen, die für Schutzhäftlinge bestimmt waren, gab es auch Duschen. Darauf freute ich mich und genoss die heißen Strahlen, die auf meinen Körper prasselten.
Die Nacht war vorbei. Zumindest für mich. Die Morgenschicht war bereits angetreten. Ich hatte die Kollegen informiert, dass in einer der Zellen ein besonderer Gefangener steckte. Es war ihnen nichts anderes übrig geblieben, als dies zu akzeptieren.
Geschlafen hatte ich auch. Sogar fast vier Stunden. Ich war auch nicht geweckt worden, denn
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