Werwolf-Spuk
warf einen Blick auf die Handschelle an seinen Füßen, die Ringe passten soeben. »Deshalb auch die Fesseln?«
»Leider mussten wir das tun.«
»Was habe ich getan?«
»Denken Sie nach.«
Das tat er und hatte die Lösung. Aber sie gefiel ihm nicht, denn er raufte sich die Haare. Die Erinnerung stürmte auf ihn ein, und er flüsterte mir zu: »Ich bin verflucht, wie?«
»Nun ja, so eng oder allgemein dürfen Sie das nicht sehen. Aber Sie haben schon Recht. Es hat sie ein Fluch getroffen. Das müssen wir leider so sehen, Mr. Irving. Sie haben perfekt reagiert. Jetzt wissen mein Partner Suko und ich Bescheid.«
Damit war ihm nicht viel geholfen, denn er fragte: »Wie soll es denn weitergehen?«
»Wir fliegen gemeinsam nach Dundee.«
Er saß plötzlich starr.
»Nein!«
»Doch. Erinnern Sie sich nicht?«
Irving überlegte einen Moment. »Woran soll ich mich denn erinnern?«
»Zum Beispiel an Dundee. Dieser Ort ist praktisch die Quelle des Unheils und der Gefahren. Dort hat Sie leider Ihr Schicksal ereilt, Mr. Irving.«
Er nickte, bekam noch einen Schluck Kaffee von mir eingeschenkt, und so allmählich kehrte die Erinnerung zurück. »Was in der vergangenen Nacht mit mir geschehen ist, da muss ich leider passen. Da habe ich mich in einem Zustand befunden, der nicht normal ist. Aber an Dundee erinnere ich mich schon.«
»Das ist sehr gut.«
»Fragen Sie mich bitte jetzt nicht nach Einzelheiten. Ich hoffe, dass mir noch alles einfällt. Auf dem Flug haben wir ja Zeit genug.«
»Das stimmt.«
»Und was ist mit den Fesseln? Ich möchte endlich normal gehen können.«
»Keine Sorge, die werde ich Ihnen schon abnehmen. Das Vertrauen habe ich.«
Ich setzte den Vorsatz sofort in die Tat um. Amos Irving war froh, dass er wieder normal laufen konnte. Er stand von seinem Bett auf und ging die ersten Schritte.
»Haben Sie Familie, die Sie noch benachrichtigen müssen?«, erkundigte ich mich.
»Ja und nein. Ich lebe von meiner Frau getrennt. Zu meinem Sohn habe ich auch so gut wie keinen Kontakt. Ich bin also unabhängig und brauche niemanden zu fragen.«
»Das ist günstig.«
Er wechselte das Thema. »Kann man sich hier waschen, Mr. Sinclair?«
»Sogar duschen.«
»Das würde ich gern.«
»Bitte, ich habe nichts dagegen, aber ich werde Sie begleiten.«
»Tun Sie das.«
In den Duschraum ging er allein. Ich blieb vor der Tür stehen und wanderte dort auf und ab. Kollegen, die hier unten arbeiteten sahen mich, sprachen mich aber nicht an, weil ich bereits mit meinem Chef, Sir James, telefonierte und ihm den Fall darlegte.
»Natürlich müssen Sie fliegen«, sagte er. »Überlegen Sie mal. Wo sich ein Werwolf aufhält, können es auch mehrere sein.«
»Das ist auch teilweise mein Gedanke.«
»Soll Glenda noch etwas für Sie erledigen?«
»Nicht nötig. Suko hat die Tickets über das Internet bestellt. Ich denke auch nicht, dass ich noch ins Büro komme. Sobald Suko hier erscheint, fahren wir zum Flughafen.«
»Gut, John. Und geben Sie mir bitte von Dundee aus Bescheid.«
»Mache ich.«
Das Gespräch war beendet. Ich ließ mein Handy wieder verschwinden und hörte den Ruf. Als ich mich drehte, sah ich Suko auf mich zukommen. Er trug zwei Taschen, die er abstellte.
»Hoffentlich habe ich das Richtige eingepackt.«
»Ich vertraue dir.«
»Super. Wo steckt unser Freund?«
»Unter der Dusche.«
»Ach.«
Ich wollte Suko’s Erstaunen lindern und berichtete ihm von den Fortschritten, die ich erlebt hatte.
»Das ist typisch für eine der ersten oder milderen Phasen. Der Veränderte wird wieder zum Menschen. Er kann sich an nichts erinnern oder nur sehr schwer, aber wenn die nächste Nacht anbricht und der Mond sich am Himmel zeigt, dann kommt es erneut zur Verwandlung.«
»So ist es, Suko.«
»Hat er sich wirklich nicht erinnert? Weiß er nicht, was mit ihm passiert ist und dass wir ihn hierher geschleppt haben?«
»Nein, das weiß er nicht. Und ich glaube ihm sogar. Diese zweite Existenz ist einfach zu fremd für ihn. Er glaubt aber fest daran, dass ihm was passiert ist.«
»Gut, John, dann brauchen wir nur in die Maschine zu steigen. Lass uns die Schnellbahn zum Flughafen nehmen.«
»Klar. Ich will nicht im Verkehr stecken bleiben.« Suko bekam von mir seine Handschellen zurück. Er hatte sie kaum eingesteckt, als sich die Tür zum Duschraum öffnete und Amos Irving auftauchte.
Überrascht blieb er stehen, als er Suko sah. Mein Freund machte auf ihn einen fremden Eindruck.
Suko lächelte.
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