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Wes - Wächter der Nacht

Wes - Wächter der Nacht

Titel: Wes - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Brockmann
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also … Trotzdem tut es mir leid, dass Andy das mitmachen musste.“
    „Er hat immer noch daran zu knabbern. Er gibt sich sehr viel Mühe, sich zu beherrschen, aber in ihm schlummert nach wie vor ein großes Gewaltpotenzial. Ich schätze, dass es vielen Leuten so geht, aber Andy hat damit zu kämpfen – wegen all seiner Kindheitserfahrungen. Er hat noch nie eine Frau geschlagen, das weiß ich mit Sicherheit, aber seiner Meinung nach hat jeder Mann, der ihn ärgert, nichts Besseres verdient als eine Tracht Prügel. Ich weiß, dass er dich an deinen Bruder erinnert, aber er ist nicht Ethan. Er ist ihm nicht einmal ähnlich.“
    „Ja.“ Wes tauchte den Finger in das Kondenswasser auf seiner Bierflasche und zeichnete damit Kreise auf den Tisch. „Ich weiß, dass er nicht Ethan ist.“ Er schaute auf und sah Brittany an. In seinen Augen lag tiefer Ernst. „Ich weiß das.“
    Am liebsten hätte sie nach seiner Hand gegriffen, aber sie wagte es nicht. „Wann ist er gestorben?“, fragte sie sanft.
    Wes wandte seine volle Aufmerksamkeit seiner Bierflasche zu, zupfte an dem Etikett, riss es in schmalen Streifen ab. Lange schwieg er, und sie glaubte schon, er würde nicht antworten.
    „Es geschah gleich nach der ersten Phase des BUD/STrainings“, sagte er schließlich. „Du weißt schon, die Ausbildung zum SEAL.“ Er zwang sich, sie anzuschauen, zu lächeln. „Es ist also … über zehn Jahre her.“ Damit leerte er seine Bierflasche und erhob sich von seinem Stuhl. „Ich schätze, du hast noch ein paar Hausaufgaben zu erledigen, deshalb will ich …“
    „Ich bin fertig für heute.“ Sie hob ihre Bierflasche.
    „Hiermit erkläre ich meine Hausaufgaben ganz offiziell für beendet.“
    „Ähm, ja, wahrscheinlich musst du früh aufstehen.“ Er spülte seine Flasche im Spülbecken aus.
    „Nicht früher als sonst auch.“ Sie stand ebenfalls auf. „Wie ist er gestorben?“
    „Bei einem Autounfall.“ Mit dem Rücken zu ihr stand er da und zwang sich, weiterzureden. „Er saß im Wagen eines Kumpels … der total betrunken war … Es war ziemlich übel.“
    „Es tut mir so leid!“
    Wes warf ihr einen kurzen Blick zu und beförderte seine Flasche in den Altglassammler. „Ja, es war eine scheußliche Nacht. Colleen rief mich an, um mir zu sagen, dass er … du weißt schon … tot war. Himmel, es ist jetzt über zehn Jahre her, aber wenn ich es laut ausspreche, kann ich es immer noch nicht fassen! Als könnte es einfach nicht wahr sein. Er war gerade mal sechzehn Jahre alt! Alle mochten ihn. Er war … er war einfach ein toller Junge.“
    „Du sprichst nicht oft über ihn, oder?“
    Er befeuchtete den Schwamm, drückte ihn aus und begann die Arbeitsplatte abzuwischen. Er konnte einfach keine Sekunde still stehen, schon gar nicht bei diesem Gesprächsthema.
    „Ich rede nie über ihn“, gab er zu. „Ich meine … Ich flog zu seiner Beerdigung nach Hause. Das Ganze war irgendwie irreal. Ich flog hin und gleich wieder zurück, weil ich mitten in der Ausbildung steckte. In Oklahoma war ich gerade mal etwa vier Stunden. Bobby Taylor begleitete mich, und das war auch gut so, denn ich stand total unter Schock. Er hat mich mehr oder weniger durch die Gegend geschoben, sorgte dafür, dass ich im richtigen Augenblickam richtigen Platz war. Er verfrachtete mich auch auf den Rückflug nach Kalifornien. Er machte mich sogar betrunken und begann eine Prügelei mit den Marines, die in einer Bar herumhingen. Er wusste einfach, dass ich es an jemandem auslassen musste, um … ach, du weißt schon … um fertigzuwerden mit dem, was geschehen war. Mit allem …“
    Auf diese Weise wurde er damit fertig? „Du hast dir erlaubt zu weinen, oder?“
    Er schaute sie an, als hätte sie ihm vorgeschlagen, ein rosa Ballettröckchen anzuziehen und Pirouetten durchs Zimmer zu drehen. Na schön, vielleicht wollte er nicht zugeben, dass er weinte, nicht einmal um seinen toten Bruder. Sie hoffte jedenfalls, dass er geweint hatte. Wenn sie sich vorstellte, dass er all diese Trauer zehn Jahre lang in sich zurückgehalten hatte …
    „Hast du eine Trauertherapie gemacht?“, fragte sie, während er sich die Hände abtrocknete.
    Er lachte. „Oh, klar doch! Was finden Frauen nur immer an Selbsthilfegruppen? Colleen hat für mich sämtliche Selbsthilfegruppen in San Diego ausfindig gemacht und wollte unbedingt, dass ich mich einer anschließe. Ich glaube, ich war bei einem Treffen – ganze zwei Minuten. Das passt so überhaupt nicht zu

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