Wes - Wächter der Nacht
Geschlechtsverkehr zu haben war dumm. Es gab keinen guten Grund, das zu tun, keine akzeptable Ausrede.
Ganz besonders dumm aber war, dass sie noch nicht einmal darüber gesprochen hatten. Hinterher hatte Wes sie unter die Dusche gezogen und sie beide gewaschen. Eins führte zum anderen, und sie waren wieder in seinem Bett gelandet, kommunizierten über Berührungen.
Die ganze Nacht hatten sie so verbracht: immer wieder eingeschlafen und immer wieder aufgewacht, um sich zu lieben. Mit Kondom.
Die ganze Nacht, jedes Mal wenn sie kurz davor war, zu sagen: Sex ohne Kondom! Was haben wir uns dabei gedacht?, küsste er sie.
Und wie dieser Mann küssen konnte!
Er hatte ihr all die unausgesprochenen Worte aus dem Mund gesaugt und ihr Gehirn von allen Gedanken befreit, die nichts mit unmittelbarer Lustbefriedigung zu tun hatten.
Bis vor ein paar Minuten – vor dem Anruf – hatte Brittany sich ausgemalt, was wäre, wenn. Bis hin zum Märchenende. Sie würde das Baby bekommen, das sie sich immer gewünscht hatte, und einen Mann, den sie liebte und der sie auch liebte. Denn Wes liebte sie. Das wusste sie zweifelsfrei.
Das Dumme war: Er liebte sie zwar, aber noch mehr liebte er eine andere.
Und jetzt, ganz plötzlich, mit Quinns frühzeitigem Tod, war Brittany möglicherweise das Hindernis, das seinem lang ersehnten und wahren Glück mit Lana im Wege stand.
Was war er nur für ein unglaublicher Pechvogel! Endlich war Lana frei, zwar durch sehr unglückliche Umstände, aber frei. Nur leider, leider konnte es durchaus sein, dass er gerade seine Freundin – halt, nein, seine vorübergehende Sexualpartnerin – geschwängert hatte.
Oh Gott!
Nachdem Wes geduscht hatte, würde er sich anziehen und zu Lanas Haus fahren. Wir treffen uns dort. Sie würden alle dort sein, Wizards Freunde und Kameraden, ihre Frauen und Freundinnen, und gemeinsam trauern.
Melody hatte Brittany einmal erzählt, wie nah die SEALs einander standen, wie eng ihre Gemeinschaft war. Wes und seine Freunde würden sich um Lana kümmern. Sie trösten.
Ja, trösten konnte Wes wirklich gut.
Brittany schaute die losen Blätter und Papierfetzen auf dem Küchentisch durch, die Wes’ unbeholfene Handschrift trugen. ABC-Taxiruf in San Diego. Die neue Telefonnummer seines Bruders Frank in Oklahoma City. Tante Maureen und Onkel George in Sarasota, Florida. Die Nummer eines Comic-Buchhändlers in Escondido. Die kostenfreie Rufnummer der Alamo-Autovermietung am Flughafen.
Die konnte ihr noch nützlich werden.
Ah, da war es: Bobby und Colleen. Sie hatten einen ganzen Bogen Papier für sich allein.
Wes hatte ihre neue Adresse und Telefonnummer darauf notiert, ebenso, von wann bis wann sie auf Hochzeitsreise waren. Bis letzte Nacht. Richtig, die Flugdaten sagten, dass sie gestern Abend kurz nach acht in San Diego gelandet sein mussten.
In der Dusche wurde das Wasser abgedreht, und als Brittany das Schlafzimmer wieder betrat, hatte Wes sich bereits abgetrocknet und zog sich an.
„Ich will so schnell wie möglich dorthin“, sagte er. „Wenn du dich also duschen möchtest …“
„Ich komme nicht mit. Du weißt schon, zu Lana. Sie kann jetzt keine Fremde in ihrem Haus brauchen.“
„Es ist nur so – ich weiß nicht, wie lange ich dortbleibe.“
„Schon in Ordnung. Natürlich bleibst du, solange sie möchte. Ich verstehe das. Mach dir keine Gedanken um mich. Ich nehme mir einen Mietwagen und fahre zurück nach L.A. Andy kommt gut klar – er und Dani haben anscheinend alles im Griff. Du brauchst mich hier nicht, also … Ich rufe im Krankenhaus an und frage, ob sie mich heute Abend brauchen. Das verschafft mir ein paar Pluspunkte bei der Oberschwester.“
Er nickte, ganz offensichtlich abgelenkt. „Ich frage mich, ob jemand Amber informiert hat.“
Damit nahm er das Telefon ab und wählte eine Nummer.
Brittany saß auf der Bettkante und sah ihm zu, wie er sich vergewisserte, dass Lanas Schwester in L.A. von Matt Quinns Tod erfahren hatte. Sie wusste Bescheid und war schon bei Lana in San Diego.
Brittany sah ihm zu, wie er sich fertig anzog. Er wählte eine kakifarbene Uniform. Sie war weniger formell als die, die er zu Ambers Party getragen hatte, betonte aber trotzdem vorteilhaft seine breiten Schultern und seine schmalen Hüften.
Er nahm sein Handy aus der Ladestation und steckte es in die Tasche. „Bleib hier, solange du willst. Leg dich wieder schlafen, wenn du kannst.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht.“ Dann reichte sie ihm
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