Wes - Wächter der Nacht
verrückt. Vollkommen sinnlos. Er hatte ja nicht einmal in dem Auto gesessen, aber das spielte keine Rolle. Er war der Verlierer in der Familie. Also hätte er derjenige sein sollen, der vorzeitig starb.
In der letzten Nacht hatte er darüber nachgedacht – wenn er sich nicht gerade Brittanys süßer Liebe hingab.
Darum fuhr er nie nach Hause zu seiner Familie. Er konnte seinen Eltern und Geschwistern nicht gegenübertreten. Weil er sich einbildete, dass sie ihn anschauten, die Köpfe schüttelten und sich fragten, warum Gott ihnen Ethan genommen, aber den Plagegeist und Störenfried Wes gelassen hatte.
Brittany hatte also mit vielem recht gehabt. Zum Beispiel damit, warum er Lana liebte. Klar, niemand konnte verhindern, dass er sich verliebte. Aber man musste sich wahrlich nicht fünf Jahre lang in unerwiderter Liebe verzehren.
Es sei denn, man bestrafte in Wirklichkeit nur sich selbst.
Verlierer wie Wes hatten einfach kein Recht auf ein Happy End. Sie verdienten es nicht, eine schöne, warme, fürsorgliche Frau zu finden, die sie intensiv und leidenschaftlich liebte.
Sie konnten aber eine Frau schwängern und sich ein Happy End aufzwingen lassen.
Jesus. Er brauchte wirklich dringend eine intensive Psychotherapie.
Oder eine Packung Zigaretten.
Oder vielleicht einfach nur Brittany.
Die Hintertür öffnete sich, und Catalanottos Frau Ronnie betrat die Küche, Amber im Schlepptau und …
Lana.
Wes schnürte es fast die Luft ab, als er sie sah, aber aus anderen Gründen als bisher.
Sie wirkte erschöpft, hatte dunkle Ringe unter den Augen, sah bleich und gequält aus.
Alle drei Frauen hatten unübersehbar geweint.
Lana schlüpfte wortlos an Wes vorbei, berührte ihn nur ganz kurz am Arm. Er sah ihr nach, wie sie mit gesenktem Kopf zu ihrem Schlafzimmer eilte, und fühlte sich hilf- und nutzlos.
Er war nicht, was Lana jetzt brauchte oder wollte.
Sie wollte, dass Quinn durch die Tür hereinkam, dass er ihr lachend erzählte, er sei gar nicht tot, das Ganze sei einfach nur ein dummes Missverständnis.
Aber Wes wusste, dass dem nicht so war. Harvard hatte ihm erzählt, dass Lieutenant Jim „Spaceman“ Slade an der Operation beteiligt gewesen war und Quinns Leiche gesehen hatte.
Ronnie folgte Lana und warf Wes einen verständnisvollen, mitfühlenden Blick zu, aber Amber blieb in der Küche.
„Sie sagen ihr nicht, worum es bei diesem Einsatz ging“, erzählte sie mit halb erstickter Stimme. Amber war erstaunlich. Obwohl sie gerade geweint hatte, sah sie schön aus.
Vielleicht war sie aber auch nur eine Plastikpuppe.
„Ja“, sagte Wes. „So läuft das. Die Navy kann keine Details preisgeben, und das hat seinen guten Grund. Sie würde damit andere SEALs und Operationen gefährden. Aber ich denke, dass Lana in ihrem Herzen weiß, welche AufgabenMatt und sein Team dort draußen hatten. Es war keine Vergnügungsreise.“
Die SEALs arbeiteten daran, die Welt ein wenig sicherer zu machen – indem sie einen Terroristen nach dem anderen ausschalteten.
„Das macht es für sie aber nicht leichter“, gab Amber zurück.
„Nein, das tut es nicht.“
Amber seufzte. „Ich weiß, dass du eben bestimmt nicht den Eindruck hattest, aber … Lana ist sehr froh, dass du hier bist, Wes. Sie hat mir in den letzten Tagen eine ganze Menge über dich erzählt, wenn wir telefoniert haben. Es klingt verrückt. Ich habe sie tatsächlich erst kürzlich gefragt, ob sie sich mit dir einlassen würde, wenn Quinn umkäme.“
Wes trat einen Schritt zurück. Er war sich nicht sicher, ob er Lanas Antwort hören wollte.
Aber Amber schien sein Unbehagen nicht zu bemerken. Sie redete einfach weiter. „Sie sagte, sie wisse gar nicht, ob du das wirklich noch willst – du weißt schon, eine Beziehung mit ihr. Ich habe sie bedrängt, immer wieder gefragt, was sie denn wolle. Und schließlich sagte sie: Ja, sie würde es tun. Und … oh Gott, wie konnte ich nur? … Ich mag dich so viel lieber als Quinn! Deshalb sagte ich: Dann hoffe ich, dass Quinn stirbt.“
Sie verzog das Gesicht wie ein kleines Mädchen und brach erneut in Tränen aus. Wes nahm sie tröstend in den Arm.
„Ist schon gut, Amber!“ Wie Lana war sie viel kleiner und schmächtiger als Brittany. Es fühlte sich merkwürdig an, so als umarme er ein Kind statt einer Frau, als müsse er sie vorsichtig und wie ein rohes Ei behandeln, damit er sienicht zerbrach. „Du weißt, dass das nicht geschehen ist, nur weil du das gesagt hast.“
„Er war durch und durch
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