Wesen der Nacht
itzig, Munroe.«
»W eiß ich, Benson.«
Ich stieß sie mit meiner Schulter an, woraufhin sie ihre Hüfte gegen meine rammte. Lachend zogen wir uns gegenseitig auf, ob wir je den Richtigen finden würden, und erreichten schließlich die U-Bahn.
Prinzessin?
Schlagartig verging mir das Lachen. Zum Glück war ich bereits durch das Drehkreuz, während Pepper noch damit beschäftigt war, ihre Oyster-Card über den Kartenleser zu ziehen, und nichts davon mitbekam.
Ich weiß, dass du da bist. Bitte antworte mir.
Den Teufel würde ich tun. Ich war nahe daran, der Stimme zu sagen, dass sie verschwinden solle. Aber eine Antwort hätte bedeutet, dass ich mich auf sie einließ, und das würde ich nicht tun, auf keinen Fall. Abgesehen davon, was würde Pepper sagen, wenn ich mit Leuten sprach, die sie weder hören noch sehen konnte? Also ignorierte ich weiterhin jedes einzelne geflüsterte »P rinzessin«, bis die Stimme mit einem genervten Schnauben endlich verstummte.
6
»H ier ist es passiert.« Ich deutete auf den Gehweg vor mir. »K annst du mir helfen, mein Armband zu suchen? Du weißt schon, das mit den kleinen Anhängern, das Dad mir geschenkt hat.«
Pepper stand da, die Arme in die Hüften gestemmt, und sah sich um. Ihr Blick glitt an der Mauer entlang zur Grundstückszufahrt. »N icht zu fassen! So nah! Was für dämliche Idioten!«
Entweder hatten sie nicht gewusst, wo ich wohnte und konnten nicht ahnen, dass ich drauf und dran war, in die nächste Einfahrt zu biegen, oder aber es war ihnen sehr wohl bekannt und sie legten es darauf an, mich unbedingt abzufangen, bevor ich mein Ziel erreichte. Die Vorstellung, dass ich ihnen nicht zufällig zum Opfer gefallen war, ließ mir die Kehle eng werden.
Wir suchten den Gehweg, den Straßenrand und den Grünstreifen ab. Mit jeder verstreichenden Sekunde fühlte ich mich unwohler. Es hatte nichts mit der Übelkeit zu tun, die ich nun schon kannte. Vielmehr tauchten unweigerlich die Bilder von gestern wieder auf und lösten ein beklemmendes Gefühl in mir aus. Die Erinnerung war einfach noch zu frisch. Ich hätte nicht sagen können, was schlimmer war, der Angriff selbst oder die Wehrlosigkeit, die ich die ganze Zeit über empfunden hatte. Trotzdem zwang ich mich, weiterzusuchen. Wir stocherten mit einem Stecken im Gras, schoben Büsche auseinander, obwohl ich nicht einmal ansatzweise in ihre Nähe gekommen war, und sahen sogar in den Abwasserkanal. Pepper leuchtete mit ihrem Handydisplay hinein. Auch da war nichts. Schließlich gaben wir auf.
Ich hatte gehofft, Mr Miller im Wachhäuschen anzutreffen, weil ich ihn nach der Polizei fragen wollte, aber er war nicht im Dienst. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als bis Montag zu warten.
Der Rest des Nachmittags verlief erfreulich unspektakulär. Mom war noch in der Redaktion, sodass wir uns unbehelligt auf der Terrasse ausbreiten konnten. Wir verfingen uns in endlosen Spekulationen darüber, wer die Kerle gewesen waren und was sie von mir gewollt haben könnten.
»I ch glaube nicht, dass die es noch mal versuchen.«
Ich war mir da nicht so sicher. Pepper ließ sich allerdings nicht davon abbringen. »S ie wären um ein Haar erwischt worden. Vielleicht hat man sie sogar schon geschnappt. Und wenn nicht, müssen sie davon ausgehen, dass du so schnell nicht mehr allein aus dem Haus gehst und dass dich womöglich sogar die Polizei überwacht, um sie beim nächsten Versuch zu schnappen. So dämlich können die unmöglich sein.«
»V ielleicht bin ich zu dämlich«, sagte ich halblaut und mehr zu mir selbst.
Pepper hatte mich natürlich gehört. »D u? Wieso?«
»I ch war heute Morgen allein.«
»D as wissen die aber nicht.«
»U nd wenn sie mich beobachten?«
Ihr Blick wanderte den Garten entlang, erst in die eine, dann in die andere Richtung. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »G laube ich nicht. Wenn überhaupt, werden sie sich ein leichteres Opfer suchen. Bis du dich verteidigen kannst, solltest du aber vielleicht lieber–«
»I ch werde Mom bitten, mich am Montag auf dem Weg zur Redaktion an der Schule abzusetzen.«
»G uter Plan. Tentakelmom vertreibt jeden.«
Ihre letzten Worte vertrieben meine Sorge und brachten mich zum Grinsen. »L ass uns über was anderes reden. Jonah zum Beispiel.«
Damit war die Entführung abgemeldet und Pepper schaffte es tatsächlich, mich abzulenken. Sie schwärmte mir von Jonah vor, versuchte noch einmal, mich davon zu überzeugen, Doug doch noch eine Chance zu geben
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