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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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hoffte, dass sie einem Albtraum entsprungen war. Pepper war meine beste Freundin. Sie wusste alles über mich– auch davon, dass ich vor unserem Umzug nach London ein paar Wochen in der Klapsmühle gewesen war. Ich hatte ihr erst davon erzählt, als wir uns schon einige Jahre kannten und ich mir ihrer Freundschaft vollkommen sicher war. Wie erwartet, hatte sie mich verstanden und sich nie über mich lustig gemacht oder mich auch nur schräg angesehen. Trotzdem brachte ich es nicht fertig, jetzt darüber zu sprechen. Es war das dunkelste Kapitel meiner Vergangenheit. Ich wollte es nicht an die Oberfläche zerren, solange es sich vermeiden ließ.
    »H ey, Pepperama, kriegst du immer noch keinen Kerl ab und versuchst es jetzt bei den Weibern?«
    Jeff O’Learys Worte ließen Pepper und mich auseinanderfahren. Er war der Kapitän des Schwimmteams und der absolute Schulstar. Vor zwei Jahren war Pepper bis über beide Ohren in ihn verknallt gewesen und vollkommen ausgeflippt, als ausgerechnet er sie um ein Date gebeten hatte. Dass er es lediglich darauf angelegt hatte, sie in den Shaftesbury-Memorial-Brunnen am Piccadilly Circus zu stoßen, als sie glaubte, er wolle sie küssen, hatte Peppers Schwärmerei ein abruptes Ende gesetzt. Seine Freunde, die ihnen den ganzen Abend über heimlich gefolgt waren, hatten alles mit dem Handy gefilmt und das Video auf YouTube eingestellt, woraufhin Pepper wochenlang das Gespött der Schule gewesen war. Seitdem stand Jeff bei uns auf der Liste der Personen, die wir verachteten. Er war vermutlich der Grund, dass Pepper sich lieber in ihre Schwärmerei für einen nicht existierenden Vampir flüchtete, als sich mit echten Jungs abzugeben. Von Jonah einmal abgesehen.
    Noch vor einem Jahr wäre Pepper heulend davongelaufen, wenn Jeff sie auch nur angesehen hätte. Jetzt drehte sie sich mit eisiger Miene zu ihm um und zeigte ihm den Stinkefinger. »V erpiss dich, O’Leary.«
    »D as trifft mich.« Er fasste sich an die Brust und machte zwei taumelnde Schritte zur Seite, ehe er lachend den Kopf schüttelte. »K ein Wunder, dass du die Kerle verschreckst.« Er musterte sie von oben bis unten. »V on anderen Problemen einmal abgesehen.«
    Peppers Körper stand so unter Spannung, dass ich fürchtete, sie könne ihm jeden Moment ins Gesicht springen. Warnend legte ich ihr eine Hand auf die Schulter. Sie zitterte, trotzdem klang sie vollkommen ruhig, als sie sagte: »K eine Sorge, an dem mache ich mir die Hände nicht schmutzig.«
    Dann machte sie kehrt und ging mit erhobenem Kopf davon.
    »W as für ein Arsch«, sagte ich, sobald ich sie eingeholt hatte. »W enn er nicht gemerkt hat, wie sehr du dich verändert hast, ist er außerdem blind.«
    »S o blind wie ein Maulwurf.« Jetzt, wo Jeff außer Hör- und Sehweite war, bebte ihre Stimme vor unterdrückter Wut. Am liebsten hätte ich sie in die Arme genommen, so wie sie es vorhin bei mir getan hatte, doch ich wusste, dass Peppers Stolz das im Moment nicht aushalten würde.
    Sie atmete zweimal tief durch, bevor sie sich wieder zu mir herumdrehte. »W as ist jetzt mit diesen Kerlen«, kehrte sie zum eigentlichen Thema zurück. »H aben die Bullen sie geschnappt? Bitte, sag ja!«
    Langsam gingen wir zurück zum Schulgebäude. »I ch bin mir nicht einmal sicher, ob sie überhaupt etwas von dem Überfall wissen. Zumindest war noch niemand bei uns.«
    »K eine Zeugenaussage? Keine Gegenüberstellung? Kein scheußlicher Kaffee auf dem Revier? Nichts?«
    »B is jetzt nicht. Ich muss Mr Miller am Montag unbedingt fragen, wie er es geschafft hat, die Polizei dazuzubringen, sich von Mom fernzuhalten.«
    »E r will dir wirklich Unterricht geben? So richtig Karate-Kid-mäßig?«
    Ich hatte keine Ahnung, welche Form von Selbstverteidigung ihm vorschwebte. Mir war alles recht, solange ich mich nur beim nächsten Mal wehren konnte. Auch wenn ich inständig hoffte, dass es kein nächstes Mal geben würde.
    Schon läutete es und ausnahmsweise hatten wir den Raum, in dem die nächste Stunde stattfand, sogar rechtzeitig erreicht.
    Wir hatten Mathe, und das einzig Tröstliche an der zähen Quälerei aus Zahlen und Formeln war die Aussicht, dass sie irgendwann zu Ende gehen würde. Diesmal klappte Mr Holiday seine Bücher sogar zu, bevor die Stunde vorüber war. »V on einigen von euch fehlt mir noch die Einverständniserklärung eurer Eltern.« Er griff nach seinem Notizbuch und las ein paar Namen vor. »B is nächste Woche brauche ich die Unterschriften, sonst

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