Wesen der Nacht
noch weiter in diese Welt eindringt. Die Tätowierung ist so eine Art Symbol für eine alleinstehende Welt.«
»O kay, die wollen also die Tore schließen. Aber was wollten sie von mir?«
»D ein Vater ist Torwächter.«
»D ie wollten mich benutzen, um Dad dazu zu zwingen…«
»… das Tor zu vernichten.«
»A ber warum machen sie das nicht selbst?«
»W eil nur die Wächter Zugriff auf die Tore haben«, erklärte Gus. »E s ist ihre Magie, die sie geschlossen hält und vor den Augen anderer verbirgt.«
Wenn man einmal davon absah, dass sie mich benutzen wollten, um an das Tor zu gelangen, erschien mir das Vorhaben der Hüter nicht unbedingt dumm zu sein. »W enn diese Jenseitswesen so gefährlich sind, wäre es dann nicht wirklich besser, die Tore zu zerstören, statt sie nur geschlossen zu halten? Wäre das nicht sicherer?«
»S icherer vielleicht«, stimmte Gus mir zu. »A ber nachdem sie einmal geöffnet waren, scheint eine Zerstörung nicht mehr ohne Weiteres möglich zu sein. Die beiden Welten sind durch die Magie verbunden, sie wieder zu trennen… die Folgen wären nicht absehbar.«
»W ie bei siamesischen Zwillingen, die sich Organe teilen?«
»E ine der Welten könnte durch die Trennung vernichtet werden. Vielleicht sogar beide.«
»A ber das ist Spekulation, oder?«
»N ur zum Teil. Seit ihrer Entstehung gab es immer wieder Versuche, die Tore zu zerstören. Es hat lange gedauert, überhaupt einen Weg zu finden, die Magie zu durchdringen, die sie schützt.« Er kniff die Augen zusammen. »D er einzige gelungene Versuch, eines der Tore zu zerstören, löste eine Katastrophe aus– 1906 in San Francisco.«
»D as große Beben«, flüsterte ich. Ein Ereignis, das mehrfach verfilmt worden und dem sogar eine Attraktion in den Universal Studios gewidmet war.
Gus nickte. »D amals gab es viele Tote. Wie sich herausstellte, waren sie nicht alle dem Erdbeben zum Opfer gefallen.«
»W as dann?«
»I m Blut mancher Menschen fließt Magie«, erklärte er. »S o schwach, dass die meisten nie etwas davon merken, doch diese Magie reagierte auf die Vernichtung des Tors. Wer sich in seinem unmittelbaren Umkreis befand und die Gabe in seinem Blut trug, starb. Vermutlich an einer Art von Schock. Andere, die weiter entfernt waren, wurden wahnsinnig. Auch im Jenseits blieb die Zerstörung nicht folgenlos, dort löste sie eine Explosion aus, die einen kompletten Landstrich verwüstete.«
Tod, Wahnsinn und Verwüstung waren drei ziemlich gute Argumente, die für den Erhalt der Tore sprachen. Und dafür, dass die Torwächter und Jäger auch weiterhin ihrem Job nachkamen, die Bewohner der beiden Welten auf diese Weise voneinander fernzuhalten.
Plötzlich musste ich an Tante Beth denken. »W as ist mit meiner Tante? War sie auch ein Druckmittel?«
»E s hat nie jemand Forderungen gestellt. Wir vermuten, dass sie damals einem Dämon in die Hände fiel und ins Jenseits verschleppt wurde.«
Dämonenfutter. Oder eine Sklavin. Ich war mir nicht sicher, was davon die erstrebenswertere Alternative war. Angesichts meiner Freiheitsliebe schien es mir beinahe weniger schlimm, gefressen zu werden– dann war es wenigstens schneller vorbei–, als den Rest meines Lebens in Gefangenschaft verbringen zu müssen. Gefangen. So hatte ich mich lange Zeit selbst gefühlt, und plötzlich verstand ich, warum Mom zur Tentakelmom mutiert war und sich teilweise regelrecht paranoid benahm, wenn es um meine Sicherheit ging. Sie wusste vom Jenseits und den Gefahren– und sie wollte mich davor beschützen. Oh Mann, warum hatte sie mir nicht einfach davon erzählt, so wie Dad es wollte? War ihre Angst so groß, dass mich das Wissen neugierig werden und schnurstracks zum nächsten Tor marschieren lassen würde, um mir die Welt da drüben einmal anzusehen? Zugegeben, neugierig war ich durchaus. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob ich mein gemütliches Leben aufgeben und mich selbst näher mit dem befassen wollte, was jenseits der Tore lebte. Zum Glück hatte ich Gus, dem ich alle Fragen stellen konnte, die mir unter den Nägeln brannten.
»W erden sie es noch einmal versuchen? Muss ich mit weiteren Angriffen rechnen?« Bitte nicht!
»I ch glaube, dass ich aufgetaucht bin, hat sie erst einmal abgeschreckt«, sagte er. »D iese Kerle sind keine Krieger, nicht einmal Verbrecher. So, wie ich die Hüter bisher erlebt habe, werden sie jetzt nach einem anderen Weg suchen, ihr Ziel zu erreichen. Einem Weg, für den sie dich nicht brauchen und
Weitere Kostenlose Bücher