Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
Vom Netzwerk:
damit zu rasieren, wirst du ihn rösten, Mädel. Das ist ein Elektroschocker.« Er drückte einen Knopf. Ein Sirren erklang. Ein knisternder Lichtbogen spannte sich vorne am Gerät und erlosch, sobald er den Knopf wieder losließ. »W enn dir jemand zu nahe kommt, hältst du ihm das Ding gegen den Körper und drückst den Knopf. Aber sei vorsichtig. Das ist kein Spielzeug. Benutze ihn nur, wenn du wirklich in Gefahr bist und niemals nur zum Spaß, denn der Stromschlag könnte jemanden töten.«
    Zögernd griff ich nach der Mordmaschine und verstaute sie in meiner Tasche. »A ber Sie werden mir beibringen, mich auch zu verteidigen, wenn die Batterien in dem Kasten mal versagen?«
    »K omm übermorgen wieder her. Dann fangen wir mit dem Training an.«

10
    Ich hatte noch so viele Fragen, doch Gus drückte mir meine Tasche in die Hand und schob mich aus der Halle. Nach der stickigen Hitze im Inneren erschien mir der Sommertag draußen geradezu wohltuend kühl. Ganz frei durchatmen konnte ich allerdings noch immer nicht, denn nach wie vor gingen mir all die Dinge durch den Kopf, die ich während der letzten beiden Stunden gehört hatte. Sobald ich auch nur ansatzweise darüber nachzudenken versuchte, fielen mir sofort weitere Fragen ein. Gus jedoch war nicht mehr bereit, sie zu beantworten.
    »F ürs Erste war das genug«, sagte er, als wir die Stelle erreichten, an der mich die Hüter der alten Welt überfallen hatten. »D u musst das jetzt erst einmal verdauen. Beim nächsten Mal kannst du mir neue Fragen stellen.«
    Da ich das Gefühl hatte, dass ich mit Betteln nicht weiterkommen würde, fügte ich mich in mein Schicksal. Er hatte ja recht: Es war wirklich nicht so, dass es mir an Stoff zum Nachdenken fehlte.
    Als er mir das Tor öffnete, um mich auf das Grundstück zu lassen, hielt ich inne. »D ie Polizei«, sagte ich. »S ie haben sie gar nicht gerufen, oder?«
    »J enseitsangelegenheiten sind nichts, worüber man mit der Polizei sprechen sollte. Da wir ihnen nichts vom Jenseits erzählen können, müssten wir uns auf einen Bruchteil des Geschehens beschränken, was die Gefahr birgt, dass wir uns dabei in Widersprüche verwickeln. Abgesehen davon kann es für einen Unwissenden verdammt gefährlich werden, zwischen die Fronten zu geraten.«
    Etwas in der Art hatte ich mir bereits gedacht.
    Ich verabschiedete mich von ihm und beobachtete, wie er das Tor sorgfältig hinter mir schloss. Statt jedoch kehrtzumachen und in Richtung Wachhaus zu verschwinden, sagte er: »D as in der U-Bahn– der Grund, warum dir schlecht geworden ist, war vermutlich ich. Ich war auf dem Weg zum Dienst und bin erst eine halbe Stunde vor dem Überfall dort angekommen.«
    Wenn man rechnete, wie lange er mit der U-Bahn und Pepper und ich zu Fuß unterwegs gewesen waren, konnte es tatsächlich passen. Die Vorstellung, dass Gus die Ursache meiner U-Bahn-Übelkeit war, behagte mir deutlich mehr als der Gedanke an ein unbekanntes Jenseitswesen.
    Gus nickte mir noch einmal zu, dann ging er zu seinem Kollegen im Wachhaus und ich machte mich auf den Heimweg. Ich war noch ein Stück vom Haus entfernt, als mir einfiel, dass ich mich mit Pepper hatte treffen wollen. Ich brannte darauf, ihr von meiner ungewöhnlichen Trainingsstunde und vom Jenseits zu erzählen, doch im Augenblick war ich einfach nur erledigt. Ich war müde und– damit hatte Gus recht– musste die Informationen erst einmal verdauen, die während der letzten Stunden auf mich eingeprasselt waren.
    Ich fischte mein Handy aus der Tasche und wählte Peppers Nummer. Zu meiner Erleichterung meldete sich nur die Mailbox, sodass mir bohrende Fragen erspart blieben. »H i, Peps. Das Training ist vorbei und ich bin vollkommen erledigt. Ich erzähl dir das alles morgen, okay? Bis dann.«
    Zu Hause fiel Mom über mich her, kaum dass ich die Küche betrat. Sie hatte sich mit ihrem Laptop und einem Stapel Unterlagen am Esstisch ausgebreitet, ließ aber alles stehen und liegen, sobald ich hereinkam.
    »D u meine Güte, Serena! Wo hast du gesteckt?«
    Jenseitsverfolgungswahn-Modus an.
    »P epper. Bibliothek. Biologieprojekt. Das habe ich dir doch gestern schon gesagt.«
    Sie runzelte die Stirn. Dann nickte sie, als hätte sie tatsächlich vergessen, welche Ausrede ich ihr präsentiert hatte. »D u hättest anrufen sollen.«
    Ich wollte protestieren, ein Blick zur Uhr sagte mir jedoch, dass es weitaus später war, als ich angenommen hatte. Es war nach sieben und ich hätte schon vor einer Stunde zu

Weitere Kostenlose Bücher