Wesen der Nacht
auf dem sie nicht mit Widerstand zu rechnen haben. Die nächste Zeit solltest du also in Sicherheit sein.«
»W ie lange? Bis ihnen auffällt, dass sie mich doch brauchen?«
Gus’ Blick bestätigte meine Vermutung. »D as ist zumindest nicht auszuschließen.«
»A ber Dad ist nicht in Gefahr, oder?«
Er schüttelte den Kopf. »O hne Wächter kein Zugang zum Tor.«
Dad war also in Sicherheit. Das war zur Abwechslung einmal eine gute Nachricht. Allerdings… »W as, wenn es ihnen gelingt? Angenommen, sie bringen Dad dazu, ihnen bei der Zerstörung des Tors zu helfen, was dann? Ein weiteres großes Erdbeben? Wahnsinnige und Tote? Müsste nicht jemand etwas gegen diese Hüter unternehmen, um das zu verhindern?«
»D as versuchen wir. Unglücklicherweise laufen die Hüter nicht mit einem Stempel auf der Stirn herum, der sie verrät.«
»W as ist mit dem Tattoo?«
»D as haben nur die wenigsten.« Er schüttelte den Kopf. »D ie Hüter halten sich gut verborgen und geben sich alle Mühe, unauffällig zu bleiben. Trotzdem brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Die Tore– und dein Dad– sind gut geschützt. Selbst, wenn er ihnen helfen wollte, könnte er es nicht. Nur wenige eingeweihte Mitglieder des Rates wissen überhaupt, wie sich so ein Tor zerstören lässt– und sie werden dieses Wissen um jeden Preis mit ins Grab nehmen.«
Das beruhigte mich endgültig. So wie es aussah, kämpften diese Hüter einen ziemlich aussichtslosen Kampf. Ähnlich aussichtslos war mein Kampf gegen die unzähligen Fragen, die mir noch immer durch den Kopf schossen.
»G ibt es im Jenseits auch Vampire?«
Gus verdrehte die Augen. »U nfassbar, diese Vampirhysterie, die hier seit einiger Zeit herrscht.« Er seufzte. »J a, es gibt sie. Aber sie sind keine reinen Jenseitswesen. Sie leben irgendwo zwischen den beiden Welten, durch eine Art Schleier von der Realität getrennt, sodass wir sie nicht sehen können, wenn sie es nicht wollen. Manchmal aber kann man sie spüren.«
»K älte?«
Er nickte. »Z umindest in dieser Hinsicht sind einige der Geschichten zutreffend. Die Mächtigen unter ihnen können aber auch das verbergen. Und um eines klarzustellen: Vampire sind keine glitzernden Traumtypen, sondern Raubtiere. Und ihr Menschen könnt von Glück sagen, dass sie nahezu ausgerottet sind.«
Raubtiere hin oder her, Pepper würde ausflippen, wenn sie erfuhr, dass Vampire wirklich existierten. Sie würde sich vermutlich sofort auf die Suche nach ihrem Lieblingsvampir Sergej Darkov machen. Entsprechend vorsichtig musste ich abwägen, was und wie viel ich ihr erzählte. Dass ich ihr vom Jenseits erzählen würde, bezweifelte ich keine Sekunde. Das konnte ich unmöglich für mich behalten, und Pepper vertraute ich blind. Sicher, Gus konnte ich Fragen stellen, aber er war ein wer-weiß-wie-alter Tierwandler, der ganz sicher nicht viel Einblick in die zerbrechliche Seele eines Teenagers hatte. Ganz zu schweigen davon, dass ich persönliche Dinge immer mit Pepper besprach. Bisher hatte ich ihr nur eine einzige Sache verschwiegen.
»D ir ist klar, dass du über all das mit niemandem sprechen kannst«, sagte Gus, als hätte er schon wieder meine Gedanken gelesen.
»W eil ich sonst zu Staub zerfalle?«
»W eil dich die Leute für verrückt halten würden.«
Die Leute vielleicht– Pepper ganz sicher nicht.
»I n Ordnung«, sagte Gus dann. In einer fließenden Bewegung, die ich einem Mann seines Alters niemals zugetraut hätte, stand er auf und hielt mir die Hand entgegen. »I ch denke, das reicht für heute. Ich bringe dich am besten nach Hause.«
»U nd das Training?« Und all die Fragen, die ich noch hatte oder in den nächsten Stunden haben würde?
»D u musst immer noch lernen, dich zu verteidigen«, stimmte er mir zu. »A ber nicht heute. Fürs Erste war es wichtig, dass du überhaupt weißt, wogegen du dich zur Wehr setzen musst. Behalte den Anhänger immer bei dir, bis dein Körper gelernt hat, mit der Gegenwart von meinesgleichen zurechtzukommen, ohne dass dir dabei jedes Mal schlecht wird, und halte die Augen offen. Außerdem«, er griff mit der Hand in die ausgebeulte Tasche seiner Hose und zog einen länglichen Kasten heraus, »s olltest du das da einstecken, bis du gelernt hast, dich selbst zu verteidigen.«
Blinzelnd betrachtete ich das Ding in seiner Hand. »E inen Rasierapparat?«
Ein dröhnendes Bellen stieg aus Gus’ Kehle empor. Sein massiger Brustkorb bebte unter seinem Gelächter. »W enn du versuchst, jemanden
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