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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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musste, von Mom bei einem Selbstgespräch erwischt zu werden. Ich kam mir immer noch merkwürdig dabei vor, mit jemanden nur in meinen Gedanken zu kommunizieren, weshalb ich Gelegenheiten wie diese nutzte, um wirklich zu sprechen. Das musste seltsam wirken, trotzdem fühlte es sich realer an, als unser beider Gedanken nur in meinem Geist zu spüren. Ein wenig fühlte ich mich Cale dadurch näher, und das war es, was ich mir jeden Tag mehr wünschte: bei ihm zu sein. Ihn zu sehen, seine Stimme nicht nur in meinem Kopf, sondern ganz normal zu hören, ihn berühren zu können. Oh Gott, ja, ich wollte ihn berühren. Mich davon überzeugen, dass es ihn gab und seine Nähe spüren. Allein bei dem Gedanken daran bekam ich heftiges Herzklopfen und in meinem Bauch begann es zu kribbeln.
    Hast du immer noch nichts von deinem Dad gehört?
    Ich schüttelte den Kopf. »N ein«, sagte ich, als mir bewusst wurde, dass er es nicht sehen konnte. »D as ist nicht weiter ungewöhnlich, trotzdem mache ich mir so meine Gedanken.«
    Zeig sie mir.
    »W as?«
    Deine Gedanken. Lass sie mich sehen. Es geht schneller, als wenn du mir alles erzählen musst. Außerdem, ich konnte förmlich hören, wie er grinste, würdest du sowieso wieder mittendrin einschlafen und ich müsste bis morgen warten.
    Ich zögerte, unschlüssig, wie ich ihn an meinen Gedanken teilhaben lassen konnte, ohne ihm alles bis in mein tiefstes Innerstes zu offenbaren.
    Konzentriere dich einfach auf deinen Dad und ich werde nur die damit zusammenhängenden Gedanken erkennen können.
    Wenn ich an nichts anderes dachte, sollte er wohl nichts aufschnappen können. Es war nicht so, dass ich irgendwelche Geheimnisse vor ihm hatte, aber im Leben eines jeden Menschen gab es Erinnerungen, die zu peinlich, schmerzhaft oder unschön waren, um sie mit jemandem zu teilen. Also konzentrierte ich mich auf Dad. Doch zu meiner Sorge um Dad gehörte mehr, und alles hatte mit dem Überfall angefangen. Bisher hatte ich Cale nicht davon erzählt, jetzt jedoch ließ ich ihn die Erinnerung daran miterleben, ebenso wie ich ihn in die Unterhaltung über das Jenseits einbezog, die ich mit Gus geführt hatte. Dieses Gespräch und Moms Paranoia, meine Wut und Hilflosigkeit ihr gegenüber, all das ließ ich Cale jetzt sehen. Ebenso wie die Erinnerung an meine Zeit in der Anstalt und die darauffolgenden Monate mit Gesprächstherapie, Tabletten und meiner Mom, die mich wie ein rohes Ei behandelte.
    Kein Wunder, dass du erst nicht mit mir sprechen wolltest. Ich hatte keine Ahnung, wie groß deine Angst wirklich war. Einen Moment schwieg er betreten, dann sagte er leise: Es tut mir leid, dass du das meinetwegen durchmachen musstest.
    »S chnee von gestern«, sagte ich leichthin und meinte es auch so. Seit Cale wieder in mein Leben geschneit war, war ich glücklich. Ich fühlte mich vollständig, als hätte all die Jahre ein wichtiger Teil von mir gefehlt. Und dieses Gefühl machte alles wett, was davor gewesen war.
    Ich wünschte, du wärst jetzt bei mir.
    »I ch auch.«
    Einen Moment schwiegen wir beide. Ich genoss das stille Einvernehmen, das zwischen uns herrschte, und die Tatsache, dass ich ihn trotz seines Schweigens noch immer spüren konnte, als hielte ich seine Hand.
    Dein Freund Gus hat recht, nahm er schließlich den Faden wieder auf. Ich glaube auch nicht, dass dein Dad in Gefahr ist. Falls die Hüter überhaupt am Tor auftauchen, werden sie ihm nichts antun, denn sie sind auf ihn angewiesen.
    »W as meinst du damit, falls sie überhaupt auftauchen?«
    Diese Leute versuchen nicht erst seit gestern, die Tore zu zerstören. Aber bisher waren alle ihre Versuche erfolglos, weil sie einfach nicht wissen, wie sie es anstellen sollen.
    »A ber sie haben mich überfallen. Das muss doch heißen, dass sie zumindest einen Plan haben müssen. Sonst wären sie hier nicht aufgekreuzt, oder?«
    Möglich, trotzdem wird deinem Dad nichts passieren.
    Ich nahm vor allem wahr, was er nicht aussprach. »M ir schon?«
    Du musst auf jeden Fall vorsichtig sein, warnte er mich. Vielleicht werden sie es noch einmal versuchen. Die Familie eines Torwächters ist ein gutes Druckmittel, und im Gegensatz zu ihm seid ihr entbehrlich.
    Mom. Was, wenn sie das nächste Mal versuchten, Mom in ihre Gewalt zu bringen?
    Cale schien meine Gedanken zu erraten. Deine Mom passt seit vielen Jahren auf sich selbst auf. Sie weiß, wie sie damit umgehen und worauf sie achten muss. Um dich mache ich mir mehr Sorgen.
    Ich mir auch. Wie hatte

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