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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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war, noch wo man Cale gefangen hielt.
    »I ch werde mit Dad sprechen.« Es würde mich einiges an Mut kosten, Dad nicht nur mit meinem Wissen über das Jenseits, sondern auch mit Cale zu konfrontieren. Über die Stimme in meinem Kopf. Dieses Mal ist es anders, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Jetzt wusste ich, dass die Stimme existierte, und ich konnte ihren Ursprung erklären. Für einen Moment fragte ich mich, ob Cale gelogen haben könnte. Was, wenn er wirklich nur ein Hirngespinst war, hervorgerufen durch die Ereignisse der letzten Stunden und Tage? Nein! Dann müsste Gus ebenso meinem verdrehten Geist entsprungen sein wie die Leute, die mich entführen wollten. So verrückt konnte ich unmöglich sein. Würde sich ein Verrückter überhaupt fragen, ob er verrückt war?
    Ich danke dir. Sanft, beinahe zärtlich, strichen seine Worte durch meinen Geist.

13
    Obwohl ich wusste, dass Cale existierte, kostete es mich all meinen Mut, zum Telefon zu greifen und Dad anzurufen. Ich hätte mir die Aufregung sparen können, denn er war immer noch unterwegs. Eine kryptische Nachricht auf dem Anrufbeantworter und auf seiner Handymailbox war alles, was ich übermitteln konnte. Wenn der verdammte Handyempfang in den Highlands nicht so gnadenlos unzuverlässig gewesen wäre, hätte ich ihn jederzeit erwischen können– zumindest, solange er sich nicht im Jenseits herumtrieb. Dank der fast schon legendären Funklöcher war ein Handy dort aber die meiste Zeit ungefähr so nützlich wie ein Fahrrad in der Tiefsee.
    Die kommende Woche zog wie im Zeitraffer an mir vorbei. Wann immer ich allein war, nahm ich Kontakt zu Cale auf. Inzwischen hatte ich mich ein bisschen daran gewöhnt, ihm meine Antworten lediglich in Gedanken zu übermitteln. So konnte ich mich auch mit ihm unterhalten, wenn andere dabei waren. Anfangs fühlte es sich merkwürdig an und ich fürchtete, dass er mehr von meinen Gedanken erkennen konnte als den Teil, der für ihn gedacht war. Obwohl ich ihn immer wieder mit Fangfragen auf die Probe stellte, fand ich jedoch keinen Beweis dafür, dass er weiter in meinen Geist eindrang, als ich es gestatten wollte, und so lernte ich, ihm mehr und mehr zu vertrauen.
    Hier ist es dunkel und einsam, sagte er eines Abends. Erzähl mir etwas von dir, hilf mir, die Dunkelheit und die Leere zu füllen.
    Anfangs wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte das Gefühl, dass alles, was es über mich zu erzählen gab, unwichtig und uninteressant war. Dinge, die für niemanden von Bedeutung waren außer für mich selbst– und vielleicht noch für Pepper. Doch Cale schien gar nicht genug davon bekommen zu können. Als er merkte, wie schwer es mir fiel, etwas aus meinem Leben zu finden, was ich für interessant genug hielt, um es ihm zu erzählen, begann er, mir Fragen zu stellen. Danach, wie es mir in den letzten Jahren ergangen war, und auch nach all den langweiligen Dingen, die ich ihm hatte ersparen wollen. Manchmal waren unsere Gespräche nur kurz und endeten abrupt, weil Mom in mein Zimmer platzte oder mich ein Lehrer im Unterricht aufrief. Dann wieder sprachen wir stundenlang miteinander und hörten nur auf, weil ich irgendwann so müde wurde, dass ich einfach mitten im Satz einschlief. Unsere Gespräche wurden für mich zu einer Art Anker. Neben meinen Treffen mit Pepper waren sie der beste Teil des Tages, der Teil, auf den ich mich schon beim Aufstehen freute. Das Gefühl der Vertrautheit, das ich von Anfang an gespürt hatte (zumindest ab dem Augenblick, ab dem mir bewusst geworden war, dass ich nicht verrückt war), wuchs mit jedem Tag.
    Im Gegenzug wollte nun auch ich von ihm wissen, was er im Jenseits machte und wie sein Leben dort war. Doch er konnte mir darüber nicht viel erzählen, wie er mir erklärte. Nicht, dass er nicht gewollt hätte. Es war ihm verboten und er fürchtete, dass durch die Magie in seinem Gefängnis womöglich jemand in der Lage wäre, herauszufinden, worüber er sprach. Auch seine Welt zu beschreiben, erschien ihm zu riskant. Also drängte ich nicht weiter, schließlich wollte ich nicht, dass er sich zusätzlichen Ärger einhandelte.
    Ich hielt ihn auf dem Laufenden, was meinen Dad anging– oder wohl besser, dessen Abwesenheit– und wir sprachen stundenlang darüber, was wir tun würden, wenn wir jetzt am selben Ort wären.
    Ich würde dir gerne meine Welt zeigen.
    »U nd ich dir die meine.« Es war einer der Nachmittage, an denen ich das Haus für mich allein hatte und nicht fürchten

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