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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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hier zu lernen. »I ch frage mich, warum dieses Tor ausgerechnet in Duirinish ist. Mitten in einer Gegend, die vor Touristen nur so brummt?«
    Gus zeigte jenes Lächeln, das sich unwillkürlich in sein Gesicht schlich, sobald ich eine meiner reichlich ahnungslosen Fragen stellte. Er ahnte meinen Angriff voraus und ließ mich mit einem Schritt zur Seite ins Leere laufen. »I ch glaube nicht, dass es damals, als die Tore entstanden sind, schon Touristen gab.«
    Ich stolperte an ihm vorbei und fuhr sofort wieder herum, um ihm nicht meinen schutzlosen Rücken zu bieten. »S ie meinen, diese Tore können überall sein?«
    In unseren Gesprächen hatte ich bereits herausgefunden, dass nur die wenigsten– egal ob Mensch oder Jenseitswesen– die Lage mehrerer Tore kannten. Es war ein gut gehütetes Geheimnis, wo sie sich befanden, oder wie viele es genau waren. Die volle Wahrheit wusste vermutlich nur der Rat. Gus kannte nur das Tor in den Highlands, jenes, durch das er vor Jahrzehnten selbst in unsere Welt gekommen war.
    »V ermutlich.«
    »A uch im Tower, oder mitten auf dem Piccadilly Circus?«
    »U nwahrscheinlich, aber zumindest nicht ausgeschlossen.«
    Bei unserem dritten oder vierten Training lenkte ich das Gespräch auf die magischen Gegenstände, die er einmal angesprochen hatte. Artefakte, für die nicht nur Magier eine Menge Geld hinblätterten und die einen ganzen Geschäftszweig hinter sich herzogen: Artefaktjäger, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, diese Gegenstände aufzuspüren und für einen hübschen Batzen Kohle zu verschachern.
    »G ibt es auch Ringe, die einen unsichtbar machen können?«
    »E s gibt viele Dinge, die magisch sind, und mindestens genauso viele Dinge, die Magie bewirken können. Manche schützen einen, andere geben Informationen oder erfüllen Wünsche.« Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete er einen ziemlich ungeschickten Angriffsversuch meinerseits. »O der sie machen einen schneller und stärker.«
    »S o was hätte ich jetzt gerne.«
    »D u wirst es so schaffen müssen.«
    »W as ist mit fliegenden Teppichen?«
    »D as ist wohl eher ein Märchen.«
    »S chade.«
    Ein wölfisches Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. »W as nicht heißt, dass es nichts gibt, mit dem man fliegen könnte. Manche Torwächter haben sich der Magie verschlossen und gehen ihr aus dem Weg, weil sie sie fürchten. Dein Dad hat das nie getan. Er hat es immer vermocht, diese Dinge zu seinem Vorteil zu nutzen. Er hat schon früh begriffen, dass das Jenseits zwar in vielerlei Hinsicht gefährlich ist, dass es aber auch Möglichkeiten bietet, die man nutzen sollte.«
    »S ie klingen, als würden Sie meinen Dad gut kennen.«
    »E r ist ein Freund. Einer der besten. Bevor ich hierherkam, weil ich zu alt wurde, habe ich lange Zeit am Tor gelebt und Dämonen und andere gejagt, die es in diese Welt geschafft hatten. Später war ich sein Kontaktmann ins Jenseits. Dein Vater und ich haben gut zusammengearbeitet. Und ich habe ihm versprochen, ein besonderes Auge auf dich zu haben.«
    »I ch kann Dad nicht erreichen«, platzte die angestaute Sorge aus mir heraus. »D enken Sie, dass ihm etwas passiert ist?«
    Gus dachte über meine Worte nach. Seine Miene war dabei so undurchdringlich, dass es mir nicht möglich war, seine Gedanken zu erahnen. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, bis er schließlich den Kopf schüttelte. »V ermutlich ist er auf der anderen Seite, oder sie verfolgen die Fährte eines Dämons. Seit dein Bruder am Tor ist, hilft er manchmal den Jägern. Vielleicht kontrolliert er auch nur die Gegend um das Tor herum. Ich glaube nicht, dass du dir Sorgen machen musst.«
    Dasselbe sagte ich mir seit Tagen.
    »W ird dir noch schlecht?«, wechselte er das Thema.
    Ich tippte mir auf die Brust, an die Stelle, an der der Stein unter meinem T-Shirt lag. »E r wirkt.« Im Augenblick spürte ich eine leichte Wärme, die von Gus’ Gegenwart ausgelöst wurde, aber ohne den geringsten Anflug von Unwohlsein. Die Kette war Gold wert.
    Während ich von Tag zu Tag ruhiger wurde und die Angst und Rastlosigkeit, die mich nach dem Überfall begleitet hatten, mehr und mehr ablegte, war es bei Mom genau andersherum. Ich konnte mich nicht erinnern, sie jemals so nervös und ruhelos erlebt zu haben. Sie tigerte stundenlang durchs Haus, mistete Schränke aus, polierte unser Besteck und putzte Ecken, von deren Existenz ich nicht einmal etwas geahnt hatte. Ordnungszwang schien in unserer Familie ein beliebtes

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