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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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hinter ihn. Die Arme auf die Stuhllehne gestützt, beugte ich mich über seine Schulter und sah auf den Bildschirm. »O kay, dann lass uns mal sehen, ob wir etwas finden. Wo fangen wir an?«
    »T erminkalender.« Mit einem Klick öffnete Derek den Kalender. Es dauerte einen Moment, bis die Seite sich aufbaute, und das Ergebnis war mehr als enttäuschend. Dad hatte kaum etwas eingetragen, und das Wenige, was er notiert hatte, war eine krude Mischung aus unverständlichen Kürzeln und Zahlen. An dem Tag, von dem die Zeitung in der Küche stammte, gab es keinen Eintrag. Ebenso wenig in der darauffolgenden Woche. Ich streckte meine Hand aus und übernahm die Maus. Dabei streifte ich Dereks Hand und für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass er seine Finger bewusst streckte, um die Berührung ein wenig in die Länge zu ziehen. Ich klickte mich durch die letzten Wochen, in der Hoffnung, ein Muster zu erkennen. Der erste Termin, den ich fand, war mein Geburtstag. Da stand mein Name, mit drei Ausrufezeichen. Ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Außerdem hatte er Zug- und Flugzeiten für seinen Trip nach London eingetragen. All das hatte er auch für seinen Besuch notiert, der eigentlich letztes Wochenende hätte stattfinden sollen. Aber dieser Termin war durchgestrichen . Schnell blätterte ich weiter und bemühte mich, mir die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, die ich immer noch mit mir herumtrug. Tatsächlich fand ich einen Termin, der sich alle paar Wochen zu wiederholen schien. Der Eintrag bestand nur aus einem einzigen Buchstaben: Einem großen B. Ein weiterer wiederkehrender Eintrag fand sich jeden Dienstag und lautete P/G. H. Etwa alle sechs Wochen war ein Block von einer Woche markiert, der mit dem Wort Kontrolle versehen war. Das mussten die Touren sein, die er regelmäßig unternahm und von denen Gus annahm, dass er auch jetzt auf einer war– nur, dass davon nichts im Kalender stand.
    »D as B steht vermutlich für Bericht«, überlegte Derek. »D as müsste zeitlich auch ungefähr passen, denn soweit ich weiß, erstattet er etwa alle zwei Wochen Bericht an den Rat.«
    Das klang einleuchtend. »K ontrolle sind dann vermutlich seine Kontrollgänge«, fügte ich hinzu, um nicht völlig ahnungslos zu wirken. »A ber was ist P/G. H.?«
    Derek grinste. »P ub mit Greg Hathaway, meinem Dad. Die beiden treffen sich regelmäßig auf ein Bier, zumindest wenn es ihre Zeitpläne erlauben.«
    »O h.«
    Damit waren die Geheimnisse von Dads Kalender entschlüsselt, ohne dass wir etwas gefunden hatten, was uns auch nur ansatzweise weiterhalf. Während draußen der Regen einsetzte, den die Wolken schon bei meiner Ankunft angekündigt hatten, fuhren wir den PC herunter und machten uns daran, die Schreibtischschubladen zu durchsuchen.
    »W ie kommt es, dass du über das Jenseits Bescheid weißt?«, erkundigte ich mich, während ich einen Stapel loser Blätter durchsah, die in erster Linie Rechnungen zu sein schienen. Vermutlich sammelte er das Zeug hier für seine Steuererklärung.
    Derek blätterte in einem Notizbuch, sah jetzt aber auf. »F amilientradition. Mein Großvater war Jäger, mein Dad ist einer und ich jetzt auch.«
    »D u bist Jäger? Wirklich?« Plötzlich war ich ganz aufgeregt. »I ch will auch Jägerin werden! Kann dein Dad mich vielleicht ausbilden?«
    »W arum solltest du das wollen?« Er war mit dem Notizbuch durch und legte es an seinen Platz zurück, ehe er sich die nächste Schublade vornahm. »E s ist ein dreckiger und gefährlicher Job, und um ehrlich zu sein, gefällt mir der Gedanke nicht, dass du dich freiwillig in Gefahr begeben willst.«
    »D ieses verfluchte Jenseits hat unsere Familie auseinandergerissen. Ich will… ich weiß auch nicht… irgendwie will ich es dem Jenseits heimzahlen.«
    Derek warf die Schublade so schwungvoll zu, dass der ganze Schreibtisch erzitterte. »A m besten kannst du es dem Jenseits heimzahlen, indem du es ignorierst. Wenn du dich in diese ganze Sache hineinziehen lässt, wird es dich mit Haut und Haaren fressen. Es wird in deinem Leben so viel Platz einnehmen, dass dir bald nichts anderes mehr bleibt.«
    »W enn es einen so sehr verschlingt, warum bist du dann Jäger geworden, statt von hier zu verschwinden?«
    Dieses Mal fehlte seinem Lächeln jeder Humor. »I ch will es dem Jenseits wohl auch heimzahlen.« Er wandte sich dem Ablagekörbchen auf dem Schreibtisch zu und schien nichts mehr dazu sagen zu wollen.
    »W as ist passiert?« Was brachte jemanden

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