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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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öffnete und hinter uns wieder schloss.
    Während der letzten beiden Wochen hatte ich mich unzählige Male mit ihm unterhalten, häufig hatte ich dabei auf meinem Bett gelegen, doch nie hatte es sich seltsam angefühlt oder war mir peinlich gewesen. Jetzt, seit ich ihn plötzlich sehen konnte, war das etwas ganz anderes.
    »K annst du… dich in diesem Zustand setzen?«
    Ein amüsiertes Glitzern blitzte in seinen Augen. »E s wird täuschend echt aussehen.«
    Statt zu dem Stuhl zu gehen, der vor dem Schreibtisch stand, steuerte er geradewegs auf das Bett zu und setzte sich. Zumindest ließ er es so aussehen, denn ich glaubte, zwei oder drei Zentimeter Luft zwischen dem Bett und seinem Körper zu sehen.
    Ich wollte mich neben ihn setzen, entschied mich dann aber für den Schreibtischstuhl. Als ich ihn ansah, lächelte er. »W as ist?«
    »D u bist nervös.«
    »W as? Nein. Ich bin nur… müde.« Ich seufzte. »O kay, meinetwegen. Dann bin ich eben nervös. Bisher warst du nur ein Hirngespinst und jetzt sitzt du hier auf meinem Bett.«
    »E s stört dich also, dass ich auf deinem Bett sitze?«
    »J a. Nein. Nicht wirklich. Es ist nur…«
    Er rückte nah genug an mich heran, dass er seine Hand auf meine legen konnte. Zumindest sah es so aus, als würde er es tun, denn ich spürte nichts weiter als einen Lufthauch. »I ch bin auch nervös«, räumte er ein. »I ch freue mich so unglaublich, dich endlich sehen zu können. Und ich… Du bist noch hübscher, als ich es mir vorgestellt hatte.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »U nd deutlich röter.«
    Ich blinzelte irritiert.
    Cale begann zu lachen. »I ch hätte nicht erwartet, dass ich dich so leicht in Verlegenheit bringen kann.«
    Okay, ich war rot geworden. Und wenn schon. »D ad ist nicht hier«, sprudelte es aus mir heraus. »D afür sitzt etwas im Keller.« Etwas, das sich anhörte, als würde es unanständige Trinklieder singen. Wenigstens war ich jetzt nicht mehr allein. Aber Dad war immer noch verschwunden. »W ie soll ich ihn finden, Cale?«
    »F rag bei seinen Freunden und Bekannten nach. Vielleicht weiß einer von ihnen was.«
    »A ber du hast gesagt, du kannst mir helfen!«
    »N icht, solange ich hier festsitze.«
    »W o bist du?«
    »I ch weiß es nicht. Aber ich muss ganz in der Nähe sein, sonst könntest du mich nicht sehen.«
    »W as sehe ich da?«
    »E ine Astralprojektion«, sagte er. »E in Abbild von mir.«
    Es war frustrierend. Er schien so nah zu sein, gleichzeitig war er noch immer unerreichbar. »H ältst du noch durch?«
    Er presste die Lippen zusammen. »I ch versuche es«, sagte er dann.
    Ich unterdrückte den Wunsch, ihn zu berühren, meine Arme um ihn zu legen und ihn zu trösten, mich selbst trösten zu lassen. Abgesehen davon, dass das viel zu vertraut für eine erste Begegnung war, hätte ich ihn ohnehin nicht anfassen können. »D u hast einmal gesagt, dass du vermutlich in der Nähe des Tors bist«, überlegte ich. »W o ist das Tor?«
    »B ei einem Wasserfall. Aber das wird uns nichts helfen, denn wenn es geschlossen ist, zeigt es sich nur demjenigen, der das Transferwort kennt.«
    »A ber du bist auf dieser Seite des Tors, oder?«
    »J a.«
    »D ann muss ich das Tor nicht sehen. Ich muss mich nur in der Gegend umsehen, in der es sich befindet.«
    »D as könnte klappen. Kennst du den Wasserfall?«
    Wasserfälle gab es hier an jedem durchschnittlichen Bächlein, mal mehr, mal weniger groß. »E ine genauere Beschreibung wäre gut.«
    »F olge der Küstenlinie hinter dem Cottage in Richtung des Loch Carron.« Er beschrieb mir den Weg, den ich nehmen musste, so genau, als wäre er ihn hundert Mal gegangen. Ich selbst konnte mich nicht erinnern, jemals dort gewesen zu sein. Aber ohnehin verschwamm die Landschaft in meiner Erinnerung zu einer Mischung aus saftigem Gras, graublauem Himmel und schwarz schimmernden Seen. Ich wusste von Dads Fotos und aus seinen Erzählungen mehr über das Land, als ich damals selbst gesehen hatte. Trotzdem zweifelte ich nicht daran, dass ich den Ort finden würde, den Cale mir beschrieben hatte.
    Er rutschte noch näher. Wäre er aus Fleisch und Blut gewesen, hätten sich unsere Knie berührt. »D as Tor ist ein gefährlicher Ort, voller Magie. Du musst vorsichtig sein. Versprich mir das.«
    »V ersprochen.« Ich malte mir aus, wie es wäre, ihn zu befreien, ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen und mich zusammen mit ihm auf die Suche nach… »I n London hast du mir gesagt, dass du

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