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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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angriffslustig und gefährlich zu klingen, und hoffte, dass wenigstens ihm das Beben in meiner Stimme entging, wenn ich es selbst schon nicht überhören konnte. »W as hast du hier zu suchen?«
    Ich zog die Waffe aus der Hosentasche und streckte sie ihm entgegen. »W as. Willst. Du. Hier.«
    Die Umrisse des Jungen festigten sich. Er hob beschwichtigend die Hände. »H ab keine Angst, Prinzessin.«
    » Cale?« Erleichtert, aber immer noch misstrauisch, ließ ich den Arm sinken. »S pinnst du, mich so zu erschrecken!?«
    »I ch wusste nicht, ob es wirklich klappt und du mich sehen kannst.«
    »D och. Ich kann dich sehen.« Ich konnte es kaum glauben. Tatsächlich entsprach der Junge vor mir ziemlich genau dem Bild aus meiner Fantasie. Sein blondes Haar war leicht gelockt und wirkte auf lässige Art etwas zerzaust. Seine Augen waren grün und das Gesicht so kantig, wie ich es in meiner Vorstellung vor mir gesehen hatte. Lediglich seine Nase war ein wenig länger und schien mindestens einmal gebrochen gewesen zu sein. Zumindest suggerierte das der kleine Höcker unterhalb der Nasenwurzel. Attraktiv, aber nicht süß oder niedlich. So hatte ich ihn mir vorgestellt. Und genau so sah er aus. Manchmal wurden Wünsche wohl doch wahr! Derek mochte heiß sein, aber Cale hatte etwas an sich, das… es fiel mir schwer, es in Worte zu fassen. Da war etwas in seinen Augen, das sich auch in seinem Gesicht und in seiner ganzen Erscheinung wiederfand. Etwas Unbezähmbares. Auf unerklärliche Weise strahlte er gleichermaßen Gefahr und Sicherheit aus.
    Er war schlank und athletisch, aber nur eine Handbreit größer als ich, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte, ohne den Kopf heben zu müssen. Augen, die mich besorgt anblickten. »I ch wollte dich nicht erschrecken. Das tut mir leid.«
    Ich war noch immer so fassungslos, dass es mir schwerfiel, vernünftige Worte zu formen. »W as… wie… warum kann ich…?«
    »M ich sehen?«
    Ich nickte.
    »D u bist mir näher als gestern. Ich spüre dich viel deutlicher, fast als bräuchte ich nur die Hand auszustrecken, um dich zu berühren.«
    Als er den Arm hob, tat ich es ihm gleich. Wir waren uns nah genug, dass sich unsere Fingerspitzen berührten, doch was ich spürte, war nicht die Wärme eines anderen Menschen, sondern nur ein kühler Lufthauch. Ein substanzloses Abbild, durch das meine Finger ohne Widerstand glitten.
    »W o bist du?«
    »I m Cottage.«
    Dieses Mal war es an ihm, zu nicken. Als hätte er nichts anderes erwartet.
    »W erde ich dich jetzt immer sehen können?«
    »Z iemlich wahrscheinlich.«
    Ich hob warnend die Hand. »A ber du darfst mich nicht mehr so erschrecken! Mir ist fast das Herz stehen geblieben.«
    »I ch wusste nicht einmal, dass ich jetzt für dich sichtbar bin.« Er dachte einen Moment nach. »A ber es hat sich näher angefühlt. Ich kann versuchen, mein Erscheinen vorher anzukündigen.«
    »W ie?«
    So, erklang seine Stimme in meinem Kopf. »U nd erst danach tauche ich auf.«
    »N ach der Warnung und nachdem du meine Antwort abgewartet hast.«
    Er runzelte die Stirn, was ihn nun doch irgendwie süß aussehen ließ. »W arum?«
    In einer ausholenden Geste deutete ich auf den Raum um mich herum. »J etzt habe ich nur Zähne geputzt. Was, wenn ich beim nächsten Mal unter der Dusche stehe?« Daran, dass er mich auf der Toilette erwischen könnte, wollte ich lieber gar nicht erst denken.
    »I ch kann in diesem Zustand nicht nass werden.«
    Ich setzte zu einer Antwort an, wollte ihm erklären, dass es mir ganz sicher nicht um die Frage ging, ob er versehentlich nass wurde, wenn ich nackt unter der Dusche stand, doch Cale begann zu lachen. »E ntschuldige, das konnte ich mir nicht verkneifen. Du solltest dein Gesicht sehen.«
    Unwillkürlich musste ich auch grinsen.
    »N atürlich werde ich deine Antwort abwarten«, sagte er. »I ch will dich schließlich nicht in Verlegenheit bringen. Entschuldigung angenommen?«
    »A ngenommen.« Immer noch durcheinander, führte ich Cale in mein Zimmer. Den Elektroschocker legte ich aufs Fensterbrett. Dabei konnte ich meinen Blick nicht von Cale wenden. Nach all der Zeit, in der er lediglich eine Stimme in meinem Kopf gewesen war, war es irritierend, ihn zu sehen. Seine durchschimmernde Gestalt erinnerte mich an einen Geist, und halb erwartete ich schon, dass er auf dem Weg zu meinem Zimmer die Abkürzung durch die Wände nehmen würde. Er folgte mir jedoch über den Flur und wartete darauf, dass ich die Tür für ihn

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