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Wesen der Nacht

Wesen der Nacht

Titel: Wesen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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nirgends verstecken, denn das Gelände war von hier aus trotz der sanften Hügel weithin einsehbar.
    Derek! Ich musste Derek anrufen!
    Was ist los, Prinzessin?
    Noch nie war ich so erleichtert gewesen, Cales Stimme zu hören. »W oher weißt du…«
    Ich kann deine Angst spüren. Bist du in Gefahr?
    »J emand verfolgt mich.«
    Cale fluchte. Und ich sitze hier fest und kann dir nicht helfen. Wo steckst du?
    »A uf der Straße zum Cottage.«
    Ist jemand in der Nähe, den du um Hilfe rufen kannst?
    »N ein. Aber ich werde Derek anrufen.«
    Obwohl ich Cales Stimme nur in meinen Gedanken empfing, glaubte ich zu hören, wie er die Luft einsog. Als wäre Derek ein rotes Tuch für ihn. Dann tu das.
    Ich ging auf Dereks Nummer im Adressbuch und drückte Anrufen. Die Leitung knackte und knisterte und ich betete, dass ich nicht ausgerechnet jetzt in einem Funkloch verschwinden würde. Um ein Haar hätte ich erleichtert aufgeschrien, als Derek sich meldete.
    »S erena, schön von dir zu hören.«
    »I ch werde verfolgt und brauche deine Hilfe«, platzte es aus mir heraus.
    »W o bist du?«
    Ich sagte es ihm.
    »I ch bin ganz in der Nähe, in Kyle. Geh einfach weiter, als hättest du nichts bemerkt. Ich bin gleich bei dir.«
    Als er das Gespräch beendete, fühlte ich mich so allein und schutzlos wie noch nie. Ich steckte das Handy wieder in die Hosentasche zurück, schwang mich in den Sattel und radelte los. Meine Oberschenkel brannten, trotzdem hatte ich das Gefühl, zumindest schneller zu sein als zu Fuß.
    Cale? Mir fehlte der Atem, um weiterhin laut mit ihm zu sprechen.
    Ist er noch hinter dir her?
    Ich spähte vorsichtig über die Schulter. Er hält Abstand, folgt mir aber weiter. Derek ist auf dem Weg. Aber …
    Ich bleibe bei dir, bis er kommt.
    Danke. Was soll ich tun, wenn er angreift?
    Ich glaube, wenn er das vorhätte, hätte er es bereits getan.
    Bist du sicher?
    Es erscheint mir zumindest logisch.
    Nicht ganz die Antwort, die ich hören wollte, aber für den Augenblick musste es genügen.
    Erzähl mir, was du siehst.
    Was?
    Wo bist du? Was siehst du? Hügel? Wiesen? Welche Farbe hat der Himmel? Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal den Himmel gesehen habe.
    Dankbar für die Ablenkung, stieg ich auf seine Fragen ein. Während ich weiter in die Pedale trat, erzählte ich Cale von dem Himmel über mir und den Wolken, den grünen Hügeln und dem rostroten Heidekraut, das überall den Boden überzog. Ich zeigte ihm, was ich sah und hörte– wobei ich den Wagen ausließ, der mir immer noch mit großem Abstand folgte–, beschrieb den Duft nach Meer und Heidekraut und wie sich der Wind auf meiner Haut anfühlte.
    »I ch sehe das Cottage«, entfuhr es mir laut, als die Zufahrt zum Haus vor mir auftauchte und ich das Dach hinter dem aufgeschütteten Erdwall mit den Ginsterbüschen erkennen konnte. »I ch bin gleich beim Haus.«
    Aber was dann? Sollte ich hineingehen? Vielleicht war es besser, den Typ nicht wissen zu lassen, wo ich wohnte. Andererseits konnte ich mich hier wenigstens einsperren, bis Derek kam. Abgesehen davon war es ohnehin nicht schwer zu erraten, dass das Cottage mein Ziel war. Andere Häuser gab es hier nicht und er hatte mich im Supermarkt einkaufen sehen, also musste ihm klar sein, dass ich mich nicht auf einem Ausflug befand. Noch bevor ich die Einfahrt erreichte, hörte ich ein weiteres Auto.
    »I ch glaube, Derek kommt.«
    Okay, dann konzentriere dich jetzt auf ihn und tu, was er sagt.
    Ich spürte, wie Cale sich zurückzog, und vermisste sofort seine Nähe. Jedes Mal, wenn er mich verließ, fühlte ich mich leer. Und allein.
    Ich warf einen Blick über die Schulter und erkannte Dereks roten Toyota. Erde, Steine und Staub wirbelten auf, als er das Gaspedal durchtrat und auf der schmalen Straße an meinem Verfolger vorbeizog. Der andere musste an den Straßenrand ausweichen und stehen bleiben, um sich nicht in den Graben drängen zu lassen. Kaum war Derek an ihm vorbei, riss er das Lenkrad herum, trat auf die Bremse und brachte seinen Wagen quer zur Straße zum Stillstand.
    Derek sprang heraus. »I ns Haus mit dir!«, rief er mir zu, ehe er mit festen Schritten auf das andere Auto zu marschierte.
    Ich zögerte. Natürlich war ich neugierig und wollte sehen, was geschah. Dass ich mich dann doch wieder in Bewegung setzte, lag weniger an Dereks Worten als vielmehr daran, dass ich Cale versprochen hatte, auf Derek zu hören. Ich trat in die Pedale und fuhr die Auffahrt bis zum Cottage hoch. Vor dem

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