Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi
das er sich seit ein paar Wochen mit Bettina Begemann teilte. Sie war die Jüngste unter den Kollegen der Kommissariats, aber alles andere als schüchtern und zurückhaltend. Mit ihrem blond gefärbten Kurzhaarschnitt und den bisweilen schrillen Klamotten, die sie trug, sah sie nicht nur aus wie eine Rebellin, gelegentlich verhielt sie sich auch so. Erst neulich hatte sie sich geweigert, an der Razzia eines besetzten Hauses teilzunehmen. Erst nach langem Hin und Her hatte Stefan Vlothoerbäumer entschieden, dass es vielleicht besser wäre, auf ihren Einsatz zu verzichten. Später hatte er ihr jedoch in aller Deutlichkeit zu verstehen gegeben, dass er in Zukunft eine andere Einstellung von ihr erwarte.
Wo war sie eigentlich?, wunderte sich Jan. Sie war schon bei der Besprechung nicht dabei gewesen, und auch jetzt fehlte jede Spur von ihr. Dabei wollte er sie doch nachher zu seinem Besuch bei den Winkelmanns mitnehmen.
Jans Gedanken wurden vom Klingeln seines Telefons unterbrochen. Er kannte die Nummer, brauchte jedoch einen Moment, um sie zuordnen zu können.
»Oldinghaus«, meldete er sich.
»Katharina von Allwörden hier, Moin, Moin, Herr Kommissar«, eröffnete sie das Gespräch gut gelaunt.
»Auf Ihren Anruf habe ich gewartet«, antwortete Jan. Er schob ein »Rein beruflich« hinterher und spürte sofort die peinliche Stille, die seine Bemerkung ausgelöst hatte.
»Die Obduktionsergebnisse von Daniel Hövelmeyer liegen vor«, sagte sie schließlich.
»Natürlich.« Jan klang plötzlich kleinlaut.
»Es ist, wie wir von Anfang an gedacht haben«, fuhr Katharina von Allwörden in professionellem Ton fort. »Er wurde vergiftet.«
»Hmm …« Jan nickte stumm. Er war nicht sonderlich überrascht.
»Blausäure«, erklärte sie. »Und nicht zu knapp. Der junge Mann hatte keine Chance. Mit dem Fass hätte man wahrscheinlich eine ganze Kompanie ausschalten können.«
»Wir wissen noch nicht, ob das Gift tatsächlich in dem Fass …«
»Ich habe mit dem LKA in Düsseldorf gesprochen«, unterbrach sie ihn. »Sie haben ihre Untersuchungen noch nicht abgeschlossen, sind sich allerdings sicher, dass das Fass, aus dem Hövelmeyer gezapft hat, mit Blausäure vergiftet war.«
Wenn das den Tatsachen entsprach, war es unwahrscheinlich, dass Hövelmeyer gezielt getötet worden war, dachte Jan. Realistischer schien die These, dass das Ganze ein Anschlag gewesen war. Noch war jedoch unklar, gegen wen. Die Brauerei war in jedem Fall eine Option. Möglich war dann aber auch, dass die Stadt oder die Veranstalter des Hoeker-Fests getroffen werden sollten.
»Blausäure, sagten Sie? Wie tritt der Tod bei einer solchen Vergiftung ein?«
»Blausäure oder auch Cyanwasserstoff genannt«, erklärte Katharina von Allwörden. »Bereits ein bis zwei Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht sind tödlich. Die Zellatmung kommt zum Erliegen, das Opfer erstickt innerlich. Bei einer Vergiftung mit sehr hohen Konzentrationen kommt es binnen Sekunden zur Hyperventilation und schließlich zum Atemstillstand. Was mich wundert, ist die Tatsache, dass das Opfer offenbar den unangenehmen Geruch der Blausäure nach Bittermandeln nicht wahrgenommen hat.«
»Gibt es nicht auch Menschen, die das nicht riechen können? Ich meine, darüber mal etwas gelesen zu haben.«
»Es heißt, dass fünfundzwanzig Prozent der Menschen den Geruch nicht wahrnehmen können«, bestätigte Katharina von Allwörden.
»Was halten Sie davon, wenn ich bei Ihnen vorbeikomme und wir in Ruhe über Hövelmeyer sprechen? Wann passt es Ihnen?« Jan nahm all seinen Mut zusammen und ging in die Offensive. »Vielleicht haben Sie ja auch von dem Vorfall heute Morgen gehört? Der Besitzer der ›Westfalenbräu‹-Brauerei ist zu Tode gekommen. Wahrscheinlich werden wir auch über ihn reden müssen.«
»Lassen Sie mich mal sehen.« Dem Geräusch nach schien sie in einem Kalender zu blättern. »Vielleicht morgen am späten Nachmittag?«
Jan freute sich derart über Katharina von Allwördens spontane Reaktion, dass er in Form einer Übersprunghandlung einen Laut von sich gab, der wie ein »Yeah!« klang.
»Wie meinen?«, fragte sie überrascht.
»Ich … äh … ich meinte meine Kollegin«, log er. »Dann sehen wir uns morgen gegen fünf, in Ordnung?«
»Ja, denken Sie aber bitte daran …«
Die Bürotür wurde aufgestoßen, und Bettina platzte herein. Sie sah aufgebracht aus. Jan schaffte es gerade noch, sich von Katharina von Allwörden zu verabschieden und
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