Westfalenbraeu - Ostwestfalen-Krimi
er mit ihm umgegangen war. Wie hatte es nur so weit kommen können?
»Würdest du das alles wieder tun?«, fragte sie nach einer Weile des Schweigens.
»Die Frage stellt sich nicht«, antwortete er kühl.
»Warum nicht?«
»Weil es keine Alternative gibt«, raunzte er sie an. »In unserer Situation würde ich es immer wieder tun. Er hat selbst entschieden, sterben zu wollen. Das solltest du am besten wissen.«
Sie rückte von ihm ab. Ein Schauer jagte über ihren Oberkörper. Ihr wurde wieder klar, dass er recht hatte.
Die Sache hatte nur einen Haken: Die Chancen, dass ihr Plan jetzt noch aufging, waren rapide gesunken. Sie mussten sich dringend etwas Neues einfallen lassen. Etwas, was sie ans Ziel bringen würde. Ein Zeichen setzen, das so deutlich war, dass sie endlich an das Geld kamen, das sie so sehr benötigten.
Ganz allmählich reifte eine Idee in ihr. Neue Hoffnung, dass ihre Probleme bald endgültig der Vergangenheit angehörten. Und im Prinzip war er es selbst gewesen, der sie auf die Idee gebracht hatte. Warum nur waren sie nicht schon viel früher darauf gekommen? Sie hätten sich das alles sparen können.
Noch einmal ging sie alles in Gedanken durch. Schritt für Schritt durchdachte sie ihren neuen Plan, bis sie sich schließlich sicher war, dass er funktionieren würde. Dann trat sie wieder zu ihrem Freund, legte den Arm um ihn und blickte gemeinsam mit ihm aus dem Fenster.
»Wir werden noch etwas Schlimmes tun müssen«, sagte sie nach einer Weile. »Etwas, das mir nicht leicht fallen wird.«
Er drehte sich zu ihr und sah sie fragend an.
»Vertrau mir einfach!«, sagte sie mit dunkler Stimme.
7
»Was weißt du über Frank-Walter Winkelmann?«, fragte Jan, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten.
»Ganz ruhig. Hektik ist nicht gut für deinen Kreislauf. Bei deinem Dosha!«
»Bei meinem was?«, fragte Jan irritiert.
»Deinem Dosha! Du bist Pitta, bringst also sozusagen schon von Haus aus Feuer mit.«
»Ich verstehe kein Wort. Sag mir lieber, woher du ihn kennst.«
»Ich bin mit ihm zur Schule gegangen, aber das ist mehr als zwanzig Jahre her«, antwortete Mareike.
»Ich weiß«, sagte Jan hörbar ungeduldig. »Du hast doch erzählt, dass du ihn neulich getroffen hast. In welchem Zusammenhang war das noch mal?«
»Ach das«, seufzte Jans Mitbewohnerin. »Das war nicht ich, sondern meine Schulfreundin Tanja. Die hat doch vor Kurzem erst ihren Führerschein gemacht …«
»Äh, was hat das jetzt mit …?«
»Dieser Fahrlehrer von ihr«, fuhr Mareike ungerührt fort, »der macht mit seinen Schülern immer etwas außergewöhnliche Ausflüge. Vor ein paar Wochen haben sie eine Brauereiführung gemacht. Und das als Fahrschüler – verrückt, oder?«
»Ja, ja, aber was …?«
»Frank-Walter hat die Führung geleitet. Tanja hat ihn total ausgequetscht, sie hatte ihn ja seit Ewigkeiten nicht gesehen. Er kümmert sich unter anderem um die ganzen Festivitäten.«
Jan machte sich Notizen. Frank-Walter Winkelmann war der jüngste der drei Nachfahren von Claus Winkelmann, dem Sohn des einstigen Gründers der »Westfalenbräu«-Brauerei und heutigen Senior im Familienbetrieb. Seine Rolle im Unternehmen lag offenbar in der Kundenbetreuung und im Eventmanagement. Keine Frage, eine wichtige Aufgabe. Aber es wunderte ihn dennoch, schließlich saßen die Erben doch üblicherweise in der Geschäftsführung eines Unternehmens.
»Weißt du noch mehr über ihn?«
Nach einem Moment des Überlegens lachte Mareike auf. »Du kennst Tanja nicht«, sagte sie. »Am Ende des Tages war sie ordentlich genervt von ihm. Und wenn die einen auf dem Kieker hat, dann bekommt der so richtig sein Fett weg.«
»Erzähl es mir«, forderte Jan sie auf. »Warum hatte sie Winkelmann denn auf dem Kieker?«
»Er ist … wie soll ich sagen … er ist ein wenig unbeholfen, um es mal nett auszudrücken. Minderbemittelt trifft es vielleicht auch, aber ich finde es nicht schön, wenn man so über andere Menschen spricht. Ich habe das Tanja auch schon einige Male gesagt, aber …«
»Warte mal«, unterbrach Jan sie. »Verstehe ich das richtig, er ist geistig zurückgeblieben?«
»Na ja, ganz so kann man das nicht sagen. Ich bin ja keine Psychologin, aber etwas seltsam war er schon immer. Beinahe autistisch, wenn du mich fragst.«
Jan bedankte sich bei Mareike und bat sie noch rasch, die Wohnung nach dem Yogaevent wieder auf Vordermann zu bringen. Dann verabschiedete er sich und legte auf.
Er saß allein in seinem Büro,
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