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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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überbrachte. Sie lief durch das umgebaute Haus und rang die Hände. »Und nichts ist fertig! Überall noch Bauschutt! Eine Wand muß noch gestrichen werden! Wie soll ich das schaffen? Morgen kommt Vater zurück.«
    »Wir schaffen es, Mama«, sagte Hermann beruhigend. »Wir haben noch einen halben Tag und eine ganze Nacht vor uns.« Er zögerte: »Ich will dich etwas fragen.«
    »Dann frag, aber mach schnell! Ich will die Wand streichen.«
    »Iwetta Petrowna möchte auch helfen.«
    »Deine Braut? Sie hat sich über ein Jahr nicht blicken lassen. Ich denke, sie will nichts mit uns zu tun haben?«
    »Vaters Schicksal hat sie tief erschüttert. ›Ich weiß jetzt‹, hat sie gesagt, ›ich gehöre zu euch. Ich war dumm. Meinen Großvater haben die Deutschen erschossen, das konnte ich nicht vergessen. Ob deine Eltern mich hinauswerfen, wenn ich jetzt komme?‹ Das hat sie gesagt.« Hermann blickte seine Mutter fragend an. »Darf sie kommen, Mama?«
    »Ich hab' nichts dagegen.«
    »Sie ist Arbeit gewöhnt. Wir werden zusammen den Bauschutt wegbringen und alles saubermachen. Und die Wand wird nachher Gottlieb streichen, wenn er vom Pflügen zurückkommt. Eva wird Hühner schlachten. Papas Heimkehr soll ein kleines Fest werden.«
    »Und was soll ich tun?« fragte Erna und setzte sich auf die Eckbank. »Alle Arbeit nehmt ihr mir weg. Bin ich zu nichts mehr zu gebrauchen?«
    »Mama, du hast die Oberaufsicht.«
    »Aber wer befiehlt hier? Du!«
    »Das ist das Vorrecht des ältesten Sohnes, wenn er den Vater ersetzen muß.« Er lachte und nahm seine Mutter in die Arme. »Ich weiß, für dich ist Vater unersetzbar. Auch für uns. Ich weiß, was du tun kannst, Mama.«
    »Was bitte?«
    »Du gehst zum Friseur und läßt dir eine tolle Frisur machen. So eine moderne, weißt du. Mit Löckchen in der Stirn und hinten kurz.«
    »Du bist verrückt, Hermann! In meinem Alter.«
    »Du bist doch nicht alt, Mama. Mit fünfundfünfzig ist eine Frau von heute doch nicht alt! Zeig Papa, wie schön du sein kannst. Es wird ihm Mut geben, das schwere Leben zu ertragen. Eine schöne Frau kann da viel tun.«
    Und Erna ging zum Friseur.
    »Ludwig Viktorowitsch«, sagte sie zu ihm, »kannst du mehr als diese Einheitsfrisuren machen?«
    »Es wird ja nichts anderes verlangt, Erna Emilowna. Natürlich kann ich mehr.«
    »Löckchen in die Stirn und hinten modisch kurz?«
    »Kann man machen.«
    »Blondieren?«
    »Auch. Ich weiß nur nicht, ob ich noch Farbe habe. Das letztemal hat sich Lore die Haare färben lassen. Das war vor drei Jahren. Seitdem hat keiner mehr nach Farbe verlangt. Wenn wir Glück haben, liegt noch eine Tube herum.«
    »Und hast du Puder da? Und so einen Stift für Lidstriche?«
    »O Gott, was verlangst du? Was hast du vor, Erna? Was ist mit dir los?«
    »Wolferl kommt morgen nach Hause, das weißt du doch.«
    »Und da willst du aussehen wie eine Filmdiva!«
    Film, Schauspiel – das ist es! »Wir haben alles, was wir brauchen, Ludwig. Puder, Make-up, Lidstrich, Augenbrauenstift …«, rief sie. »Unsere Theatergruppe, die hat doch alles!«
    Friseur Ludwig Viktorowitsch rannte los zum Leiter des Nowo Grodnower Laienspieltheaters und kam mit einem Korb voll Döschen und Tiegeln und Kästchen zurück. »Einen schönen Gruß von Emil Lukanowitsch!« rief er. »Und wir sollen nicht zuviel nehmen, er braucht die Schminke für das nächste Theaterstück. Es heißt ›Der Förster vom Schwarzen Wald‹, und sie müssen viel dabei weinen. Das kostet Schminke. Die Tochter vom Förster bekommt ein uneheliches Kind, und …«
    »Ludwig, fang an!« unterbrach ihn Erna energisch. »Wir spielen jetzt nicht Theater.«
    Es dauerte drei Stunden, dann war die neue Frisur fertig und das Gesicht behandelt. Lidstrich, Augenbrauen, Makeup, rote Lippen. Ludwig Viktorowitsch war stolz auf sein Werk.
    »Du bist schöner als die Loren«, sagte er. »Attraktiver als Rachel Welsh.« Er hatte beide im Kino von Atbasar gesehen und hatte sich ein Filmplakat erbettelt. Sie hingen im Friseurgeschäft an der Wand. »Ich würde dich glattweg für eine Hauptrolle engagieren.«
    Mit gemischten Gefühlen ging Erna nach Hause. Je näher sie ihrem Haus kam, um so langsamer wurde ihr Schritt. Sie hörte Hämmern und das Tuckern des Traktors, dann sah sie, wie Hermann und seine Braut Iwetta den Bauschutt auf den Anhänger schaufelten. Sie schlich sich durch den neuen Garteneingang ins Haus und stieß auf Gottlieb, der auf einer Leiter stand und die Wand hellgelb strich. Er

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