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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der mir ins Gesicht sagt: Sie haben fünf Fragen nicht beantworten können, Sie und Ihre Familie sind keine Deutschen.«
    »Wolfgang, mach keine Dummheit!«
    »Um diesen Satz zu hören, fliege ich nach Moskau und gebe meinen Antrag selbst bei der deutschen Botschaft ab. Weder die Zaren noch Lenin noch Stalin noch Breschnew haben einen Weberowsky in die Knie zwingen können … und einem deutschen Beamten gelingt das schon gar nicht.«
    »Sei nicht so sicher, Wolfgang. Ein Stempel ›Abgelehnt‹ läßt sich nicht mehr wegwischen.«
    »Sagen wir es doch klar, Ewald: Deutschland will uns nicht.«
    »Es weiß nicht, wohin mit euch.«
    »Aber die Asylanten nimmt man auf!«
    »Diese Frage mußt du den Politikern stellen. Ich weiß darauf keine Antwort.«
    Nach vier Tagen fuhr Weberowsky zurück nach Karaganda und von dort aus nach Atbasar. Er blieb noch für einen Tag in der Kreisstadt und besuchte am nächsten Morgen Kiwrin.
    »Hast du den Fragebogen schon gelesen, den wir ausfüllen sollen, Michail Sergejewitsch?« rief er und warf ihm das dicke Formular auf den Schreibtisch. »Da lies! Benennen Sie Zeugen, daß bei Ihnen das deutsche Volkstum gepflegt wurde. Oder hier: Haben Sie durch Ihre deutsche Volkszugehörigkeit Nachteile erlitten? Was soll ich da schreiben? Man hat uns seit vierzig Jahren in Kasachstan angefeindet, aber es geht uns gut. Wir haben keine Sorgen. Ich bin befreundet mit dem Bezirkssekretär Kiwrin. Vereinzelt hat es im Land Flugblätter gegen uns gegeben, Schlägereien, Überfälle, ein Mord … aber das sind alles Einzelfälle, menschliche Entgleisungen. Wieviel Morde gibt es jährlich in Deutschland? Fühlen sich dadurch achtzig Millionen bedroht? Wenn ich das schreibe, kann ich das Formular gleich wegwerfen. Und hier: Waren Sie Angehöriger der sowjetischen Armee? Ich nicht, aber mein Sohn Hermann, er wurde in Ehren entlassen, und die Sowjetrepublik bezahlte sein Ingenieurstudium. Wenn ich diese Frage wahrheitsgemäß beantworte, ist Hermann in den Augen der deutschen Beamten sofort ein Russe. Antrag abgelehnt! Und so geht es auf vierundfünfzig Seiten weiter. Falle nach Falle, und am Ende stehst du da als der Musterrusse, der unbedingt ein Deutscher sein will, um an die bundesdeutschen Schmalztöpfe zu kommen. Dieser Fragebogen ist eine einzige Frechheit.«
    »Er ist ein geniales Beispiel, wie man ungebetene Gäste vor der Tür stehen läßt.« Kiwrin faltete den Fragebogen zusammen. »Du brauchst den Antrag ja nicht auszufüllen. Bleib hier …«
    »Ich will aber ausreisen!«
    »Warum?«
    »Das verstehst du nicht, Michail Sergejewitsch.«
    »Du hast einen wundervollen Hof, herrliche Felder, vor Gesundheit strotzendes Vieh, du bist ein reicher Mann, du hast keine Feinde – die Beljakowa rechnen wir nicht, die hat einen Wurm im Hirn –, du bist überall gut angesehen, du hast eine Frau, die dich Holzklotz über alles liebt, du hast drei prächtige Kinder. Himmel noch mal, was willst du denn noch mehr? Nicht Hessen, Kasachstan ist deine Heimat!«
    »Michail Sergejewitsch … sagen wir, du lebst in New York. Du hast es zu etwas gebracht, dir gehört ein Supermarkt. Du hast ein Stück Land in New Jersey, eine hübsche Frau, zwei Kinder, sogar eine Motoryacht kannst du dir leisten, machst jedes Jahr Urlaub auf den Bahamas oder auf Hawaii, fährst einen riesigen Wagen und spielst Golf im vornehmsten Club. Aber du bist Russe, ein Russe in New York. Was ist deine Heimat?«
    »Das ist ein dämlicher Vergleich, Wolfgang Antonowitsch.« Kiwrin verzog das Gesicht, als habe man ihn gegen das Schienbein getreten. »Ich bin ein kleiner Bezirkssekretär und …«
    »In New York bist du ein Millionär.«
    »Wenn ich das wäre, hätte ich das Geld, ab und zu Rußland zu besuchen.«
    »Und warum besuchst du Rußland?«
    »Weil es … verdammt seist du, du hinterhältiger Hund … weil es meine Heimat ist!« schrie Kiwrin.
    »Verstehst du mich jetzt?«
    »Du füllst den Antrag also aus?«
    »Ja, und ich bringe ihn selbst nach Moskau.«
    »Willst du die halbe deutsche Botschaft erschlagen?«
    »Nein, ich will aus ihrem Mund nur hören, daß ich kein Deutscher bin, weil es mir in Kasachstan gutgeht, ich nicht jeden Tag ein Volkslied singe, meine Söhne eine sowjetische höhere Schule besucht haben und besser russisch sprechen als deutsch. Man soll mir sagen, daß ich kein Deutscher bin, weil mein Sohn eine russische Verlobte hat, ich nie das Messer eines Kasachen zwischen den Rippen hatte, mein anderer Sohn auf

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