Westwind aus Kasachstan
betrat mehr die Scheune, es sei denn, er lud weiteren Unrat ab.
Hier, zwischen schimmeligen Balken und in einem durchdringenden Geruch, der in den Kleidern hängenblieb, wartete er auf eine günstige Gelegenheit. Er konnte von einem vergitterten Fenster mit zerbrochenen Scheiben hinübersehen zum Magazin, denn gab es Schiebungen, dann vor allem vom Magazin aus.
Weberowsky hatte eine kühne Rechnung aufgestellt: Die Flugblätter wurden immer samstags verteilt, gedruckt wurden sie also am Freitag, das Papier mußte spätestens am Donnerstag geliefert werden, Mittwoch und Dienstag waren Schlachttage und Ablieferung der Frischware an die Zentrale in Atbasar. Also mußte man den Mittwoch und den Donnerstag auf der Lauer liegen, um Zirupa zu überführen.
Weberowsky schlich schon in der Nacht zum Mittwoch in die verfallene Scheune, hatte eine Decke mitgebracht und ein Kissen, mit Stroh gefüllt, legte sich auf eine zerrissene Matratze, die auch als Gerümpel herumlag, und schlief zu frieden ein. Er wußte: Keiner stört mich. Hier ist der sicherste Ort der ganzen Provinz. Selbst ein heimliches Liebespaar würde sich hier nicht treffen, dazu stank es zu sehr nach Fäulnis und altem Öl.
Als der Morgen graute, verließ Weberowsky sein Lager, ging zur Tür, setzte sich auf einen Holzklotz und blickte durch das vergitterte Fenster. Der Betrieb auf der Sowchose begann. Eine Reihe Lastwagen mit den Landarbeitern verließ den Parkplatz, Traktoren ratterten vorbei, Zirupa betrat das Magazin, aus den Werkstätten klang Hämmern und Sägen. Mittwochmorgen. Im Schlachthaus warteten die Metzger. Heute war Schweinetag. In drei Stunden kamen die Kühlwagen aus Atbasar. Dann mußten die Schweinehälften an den Haken hängen und das Soll erfüllt sein.
Weberowsky drückte die Stirn gegen die rostigen Gitterstäbe. Der Antrieb von den Schweineställen begann. Ein ungeheures Quieken erfüllte die Luft, und dann trampelte ein Heer von Schweinen über die Straße, getrieben von zehn Arbeitern und sechs Schäferhunden, die keinen seitlichen Ausbruch duldeten. Es hagelte Stockschläge, die Tiere quiekten und rannten voller Panik, mit um den Kopf fliegenden Ohren die Straße hinunter. Ihr letzter, kurzer Weg.
Und da sah Weberowsky, wie Zirupa die Flugblätter finanzierte.
Er erschien in der Tür des Magazins, hatte einen mächtigen Knüppel in der Hand, schlug damit einem vorbeirennenden, schönen, dicken Schwein auf den Kopf und trieb dann das etwas taumelig gewordene Tier durch die Tür ins Magazin. Da gerade in diesem Augenblick die Herde zur Seite ausbrechen wollte und alle Treiber beschäftigt waren, das zu verhindern, fiel es nicht auf, daß ein Schwein fehlte. Nur nachher bei der Zählung fehlte es, eines der vielen Rätsel in einem so großen Betrieb wie die ›Bruderschaft‹. Zirupa bekam die Meldung auf den Tisch und zeichnete sie als ›Krank/Abfall‹ ab. Wer wollte das später, bei einer Buchprüfung, kontrollieren?
Aha, sagte Weberowsky zu sich. Das war der erste Schritt. Wie wird der zweite sein?
Gegen Mittag, als die Kühlwagen beladen wurden und aus dem quiekenden Heer schöne, in der Sonne rosa schimmernde Schweinehälften geworden waren, fuhr ein kleiner, unauffälliger und unbeschrifteter Lieferwagen vor dem Magazin vor. Zwei Männer schleppten Kartons ins Haus – das Papier für die neuen Flugblätter. Darauf erschien Zirupa in der Tür, blickte sich nach allen Seiten um, verschwand wieder im Magazin, und dann trugen sie zu dritt das lebende, aber betäubte ›Abfall-Schwein‹ in den Lieferwagen und verschlossen schnell die Ladetür.
Wie ich's mir gedacht habe! Zufrieden trat Weberowsky vom Fenster zurück, legte sich auf die zerschlissene Matratze und wartete bis zum Abend. In der Dunkelheit schlich er sich dann wieder aus der Sowchose und wanderte zu seinem Traktor, den er auf einem Feldweg abgestellt hatte.
In der hellen Nacht sah er schon von weitem, daß etwas nicht stimmte. Merkwürdig schräg stand der Traktor am Wegesrand, so, als sei er seitlich etwas in den Boden gesunken. Aber das war unmöglich. Die Erde war durch die wochenlange Sonne knochenhart und rissig und nicht schlammig, daß man einsinken konnte. Weberowsky beschleunigte seine Schritte. Seine Ahnung wurde noch übertroffen, als er vor seinem Traktor stand.
Jemand hatte alle Reifen zerstört. Und da es dicke, grobstollige Reifen waren, an denen ein Messer abprallte, hatte der Täter mit einer Axt gearbeitet. Mit gewaltigen Hieben hatte er
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