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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Erschossen haben sie ihn! Wie einen Verbrecher! Nun liegt er da und ist eine Notschlachtung geworden. Das hat er nicht verdient.«
    »Ich wußte es schon immer«, sagte Weberowsky und schüttelte den Kopf. »Atbasar ist eine verrückte Stadt. Aber das übertrifft alles. Michail Sergejewitsch, ich muß mit dir sprechen.«
    Im Haus der Bezirksregierung las Kiwrin sorgfältig den Fragebogen durch, das heißt, Weberowsky las ihn in der russischen Übersetzung vor. Ein paarmal nickte Kiwrin gedankenschwer, mehrmals schlug er sich auf die Schenkel, und als Weberowsky geendet hatte, sagte er fast das gleiche wie Sohn Gottlieb:
    »Gratuliere, Wolfgang Antonowitsch. Das ist gut.«
    »Ich habe ihn also richtig ausgefüllt?«
    »Und wie richtig! Ich frage mich nur, warum?«
    »Was heißt das?«
    »Mit dem Fragebogen bleibst du hier! Jeder deutsche Beamte wird sagen: Das ist entweder ein Provokateur oder ein Idiot! Beides reicht nicht für eine Ausreisegenehmigung nach Deutschland.«
    »Ich werde selbst nach Moskau fliegen und ihn bei der deutschen Botschaft abgeben.«
    »Sie werden den Antrag annehmen, das ist alles. Nach einem Jahr wirst du dann die Nachricht bekommen: Abgelehnt. Oder glaubst du, du bekommst sofort einen Stempel?«
    »Ja.«
    »Weil du Weberowsky bist …«
    »Nein. Weil ich die Botschaft nicht eher verlassen werde, als bis man mir die Aufnahme als Aussiedler erteilt.«
    Kiwrin starrte Weberowsky ungläubig an. »Du willst die deutsche Botschaft besetzen?«
    »Ich will mein Recht. Nichts weiter!«
    »Mit Gewalt?!«
    »Mit Überzeugungskraft.«
    »So kann man es auch nennen! Du wirst im Gefängnis landen!«
    »Ich möchte den Botschaftsangestellten sehen, der einen Bittsteller ins Gefängnis werfen läßt. Das wäre eine Sensation … und brächte mir erst recht die Ausreiseerlaubnis ein. Denn dann würden alle über mich sprechen. Dann würde die Öffentlichkeit alarmiert werden!«
    »Du wirfst mit zehn Messern auf einmal!«
    »Es genügt, wenn nur eins trifft!«
    »Und das trifft dich selbst.«
    Weberowsky nahm den Fragebogen wieder an sich und verließ den verdutzten Kiwrin. Er will nach Moskau, er will in die Botschaft eindringen, er will den Sachbearbeiter zwingen, den Antrag sofort zu genehmigen – welch ein Wahnsinn! Kiwrin griff in die linke Seite seines Schreibtisches, in die er einen kleinen Kühlschrank hatte einbauen lassen, nahm eine Dose chinesisches Bier heraus, riß sie auf und setzte sie an den Mund.
    Wie kann man ihn davon abhalten, dachte er, Wolfgang Antonowitsch, du bist ja nicht anders als Samson, der blindwütige Stier.
    Die amerikanische Abrüstungskornmission blieb länger in Kirenskija, als es Nurgai erwartet hatte. Eine Anfrage bei der Zentrale in Semipalatinsk bestätigte, daß Moskau keine Zeitbegrenzung veranlaßt hatte. Die US-Offiziere hatten das Recht, die Vernichtung der Atomsprengköpfe für Mittelstreckenraketen zu überwachen. Nurgai empfand das als eine nationale Schmach. Mit verdüsterter Miene lief er herum, vergaß, was er zuerst von seinen Mitarbeitern gefordert hatte, nämlich Höflichkeit, und ließ die Amerikaner spüren, wie unbeliebt sie in der Stadt waren. Wirkung zeigte das gar nicht. »Sie haben uns die dickfelligsten Typen geschickt«, klagte Nurgai im Kasino der Wissenschaftler.
    Im Quartier der US-Kommission saßen währenddessen die Offiziere um einen rechteckigen Tisch und hörten zu, was ihnen Captain Tony Curlis erzählte. Obwohl er der Rangniedrigste war, galt er als der Bestinformierteste. Er kam vom CIA und besaß Unterlagen, die immer wieder verblüfften. So hielt er auch diesmal einen aufsehenerregenden Vortrag und blätterte in einer CIA-Statistik herum. »Was uns alle verblüfft hat«, sagte er nüchtern, »ist die Tatsache, daß hier in Kasachstan das viertgrößte Atompotential der Welt lagert. Das glaubt zunächst niemand, aber ich habe die Zahlen hier vor mir liegen.«
    Captain Curlis legte den rechten Zeigefinger auf eine Tabelle und fuhr mit ihm die Zeilen ab, während er mit bedächtiger Stimme vorlas:
    »Die landgestützten modernen Interkontinentalraketen, auch kurz ICBM genannt, mit den Mehrfachsprengköpfen vom Typ SS-18 und SS-24 in Rußland sollen nach unseren Vorstellungen vernichtet werden. Rußland hat eingewilligt und verlangt als Gegenleistung, daß wir mehr als 35 Prozent der Trident-Raketen zerstören, die auf unseren U-Booten stationiert sind. Insgesamt soll die Zahl unserer Atomsprengköpfe auf 9.000 Stück, bei den Russen

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