Westwind aus Kasachstan
bemüht, in den Besitz von Nuklearwaffen zu kommen. In der Hand von Fanatikern bedeutet die Atombombe die Vernichtung der Menschheit. Und wir befürchten, daß nun arbeitslos werdende Atomspezialisten dem Lockruf dieser Staaten erliegen. Wenn man bedenkt, daß ein taktischer Atomsprengkopf 2 Meter lang ist, 300 Kilogramm wiegt und einen Durchmesser von 75 Zentimetern hat, ist es erstaunlich, daß so ein leicht zu transportierendes Ding nicht schon in den islamischen Ländern ist!« Curlis klappte seine Unterlagen zu. »Es gibt im ehemaligen Sowjetrußland vielleicht zehn herausragende Atomwissenschaftler, die auf gar keinen Fall abwandern dürfen. Einer der wichtigsten ist Professor Frantzenow hier in Kirenskija.«
»Wie will der CIA seine Abwerbung verhindern?«
»Zunächst durch eine Zusammenarbeit mit dem russischen Geheimdienst, die bereits Erfolge zeigt im Austausch von Informationen. Dann hat uns der russische Atomminister Viktor Michailow versprochen, diese zehn besonders zu beobachten. Er hat sie als ›verantwortungsbewußte Patrioten‹ bezeichnet, aber gleichzeitig mit einem Anflug von Resignation hinzugefügt: ›Wessen Familie hungert, der könnte an Auswanderung denken.‹ Aber wir haben auch Möglichkeiten.«
»Und welche?«
»Wir könnten – zum Beispiel Frantzenow – die ›großen Geister‹ an der Auswanderung hindern.«
»Indem wir sie selbst abwerben.«
»Unter anderem.« Curlis lächelte leicht. »Oder daß sie zur Auswanderung nicht mehr fähig sind. Es gibt im Leben seltsame Unfälle, rätselhafte Anschläge, medizinisch nicht erklärbare Todesursachen … es ist alles denkbar. Für die Erhaltung des Weltfriedens muß man Opfer bringen können.«
»Und was wird unsere Aufgabe in Kirenskija sein?« fragte der General den bestimmenden Captain.
»Abwarten! Nichts als abwarten. So tun, als wären wir mit den Abrüstungsarbeiten zufrieden.« Curlis räusperte sich. Es war ihm unangenehm, ja peinlich, mehr zu wissen als der General, der die Kommission anführte. »Ich muß Ihnen eins verraten, was mir aus Washington zugegangen ist: Unsere Hauptaufgabe ist ab sofort, Professor Frantzenow zu überwachen. Ich hatte mit ihm ein Gespräch. Er spielt den starken Mann, ist aber durch die sich geradezu überstürzenden Ereignisse der Reformen angeschlagen. Er ist im Grunde ein labiler Mensch in einem Eisenpanzer. Er darf uns nicht durch die Finger rutschen. Frantzenow in Teheran – das wäre ein Unglück für die Welt!«
»Das heißt –« Der General stockte. Es war schwer, so etwas deutlich auszusprechen, »in letzter Konsequenz wird man Frantzenow umbringen?«
»Er galt ja schon als tot. Man wird nur durchführen, was man damals vorgetäuscht hat.«
»Soll … soll es hier in Kirenskija geschehen?« fragte einer der Obersten.
»Das hängt von Frantzenow ab.« Curlis hob die Schultern, als wolle er sein Bedauern ausdrücken. »Wenn er die Stadt verläßt, um beispielsweise nach Moskau zu fliegen, fällt es in Moskau weniger auf, wenn er einen Unfall hat. Die Möglichkeiten sind größer.«
Das dritte Flugblatt war verteilt worden. Weberowsky las schon gar nicht mehr die Hetzparolen gegen die Rußlanddeutschen, die von der Beljakowa ausgebrütet wurden. Erstaunlich fand er nur, woher Zirupa das viele Papier bezog und wer vor allem die Aktion bezahlte. Weder Katja noch Semjon Bogdanowitsch hatten so viel eigenes Geld, die Hetze zu finanzieren. Bei allem Patriotismus, man bekam nichts umsonst, es sei denn, sie wurden vom Staat oder von der Partei unterstützt. Das aber, so schwor Kiwrin beim Augenlicht seiner Mutter, sei nicht der Fall. Das war zwar nur ein halber Schwur, denn Kiwrins Mutter lebte seit sieben Jahren nicht mehr, aber Weberowsky glaubte ihm.
Woher also die Rubel?
»Es gibt nur eine Erklärung«, sagte er zu Erna, Eva und Hermann, als Gottlieb nicht zu Hause war, denn – traurig ist es, zu sagen – Weberowsky traute seinem jüngsten Sohn zu, den Verdacht an die Sowchose ›Bruderschaft‹ weiterzugeben. »Zirupa betrügt die staatliche Kontrolle, fälscht die Bücher und tauscht Fleisch und andere Produkte gegen Papier und Druckfarbe um. Ha, dabei möchte ich ihn erwischen.« Und Weberowsky legte sich auf die Lauer. Als Unterschlupf diente ihm eine alte, verfallene Scheune der Sowchose, die nicht mehr benutzt wurde, weil sich eine Reparatur nicht mehr lohnte. Gerümpel, Abfall, verrostete Maschinen und ein ausgeschlachtetes Auto waren hier abgestellt worden, und niemand
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