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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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DM. Woher Jelzin die nehmen wird, weiß keiner. Am Ende bezahlen wir sie – und mit Freuden. Wenn alle Deutschstämmigen rüberkommen, kostet uns das Milliarden an Sozialhilfe, Überbrückungsgeldern, neuen Wohnungen und Sprachkurse. Die meisten sprechen zwar deutsch, aber ein ungewöhnliches Deutsch. Noch schlimmer ist es mit dem Schreiben. Waffenschmidt muß alles Erdenkliche tun, um eine Massenauswanderung aus Rußland zu verhindern und mit Jelzins Hilfe – das heißt Landvergabe – einen großen Teil in Rußland lassen. Psychologisch wichtig ist der Ort: Ansiedlungen diesseits des Urals. Hinter dem Ural spukt in den Gehirnen: Das ist Sibirien. Ein absolutes Reizwort. Und aus Sibirien will man raus, auch aus Kasachstan. Es ist ein selbständiger, moslemisch ausgerichteter Staat geworden, in dem die Rußlanddeutschen Fremdkörper, Verhaßte, ja Feinde werden könnten. Ihnen kann dann von uns nicht mehr geholfen werden. Das ist ein Hauptargument, das Waffenschmidt so gezielt anbringen wird, daß viele in das Land vor 1941, an die Wolga, zurückkehren. Wir haben die Hoffnung, daß unser Plan gelingt. Wenn doch eine Million zu uns kommen, weil sie meinen, hinter den westlichen Türen liegt das Paradies, wird die Lage katastrophal, zumal 1993 dann die Türen für die EG-Länder offenstehen.«
    »So ist die allgemeine Lage. Aber kehren wir zum Speziellen zurück.« Der Ministerialdirigent im Innenministerium sah seinen Kollegen fast bittend an. »Wenn die Familie Weberowsky sich irgendwo bei einer deutschen Stelle meldet, ist es möglich, das Verfahren sofort durchzuziehen?«
    »Ich werde es dem Herrn Staatssekretär vortragen. Hat man eine Spur von unserem flüchtigen Köllner?«
    »Nicht die geringste. Aber wir sind uns fast sicher, daß er nicht mehr in der BRD ist. Er ist längst in Rußland angekommen. Er hat ja Helfer genug. Schon daß er vor der Verhaftung gewarnt worden ist, obwohl sie geheim war, beweist, daß hier ein Netz vorhanden ist, in dem vieles hängenbleibt. Der BND behauptet mit allem Nachdruck: Im Außenministerium muß ein Maulwurf sitzen!«
    »Wir sind dabei, alle wichtigen Mitarbeiter noch einmal gründlich zu überprüfen … bis zur Sekretariatsebene. Man kennt das ja: Eine verliebte Sekretärin, die im Bett von den Briefen plaudert, die sie geschrieben hat.«
    »Und dann liegen immer die Falschen im Bett.«
    Nach einem kurzen Gelächter erhoben sich die Herren und reichten sich die Hand – Dr. Lucius Kammerer vom Innenministerium und Dr. Eduard von Veyhen vom Außenministerium.
    Sie trennten sich in dem Bewußtsein, daß es ein nützliches und gutes Gespräch gewesen war. Schon am nächsten Tag gingen die Anweisungen an alle deutschen Konsulate in der ehemaligen Sowjetunion hinaus. In der deutschen Botschaft in Moskau legte der Botschaftsrat Gregor von Baltenheim eine Akte ›Weberowsky‹ an.
    Aus dem ahnungslosen, bisher unbekannten Bauern Wolfgang Antonowitsch war ein Fall geworden.
    Was Weberowsky sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, war schwer wieder herauszubringen, vor allem, wenn er überzeugt war, das Richtige zu tun.
    Also packte er seine alte Reisetasche, die er von seinem Vater geerbt hatte und die ein Sattler damals an der Wolga im Dorf Grodnow genäht hatte, legte den dicken Fragebogen auf zwei Hemden, zwei Unterhosen, ein Paar Strümpfe und das Rasierzeug und fuhr noch einmal mit dem Zug nach Ust-Kamenogorsk. Am späten Abend kam er an, suchte Ewald Konstantinowitsch Bergerow in dessen Wohnung auf und bekam ein Zimmer bei einem anderen Rußlanddeutschen, der auch Mitarbeiter im Kulturzentrum war. Er war ein Mann mit einem Vollbart, der an Rasputin erinnerte, im gleichen Alter wie Weberowsky, ein Witwer, dessen Frau vor vier Jahren gestorben war. Sie hatten einen Fisch gegessen, und Sophia war eine große Gräte im Hals steckengeblieben. Ehe der Arzt eintraf, war sie qualvoll erstickt. Auf Weberowskys Frage: »Siedelst du auch nach Deutschland aus?« hatte er kurz geantwortet: »Nein!«
    »Und warum nicht?«
    »Hier liegt meine Frau begraben. Meine Mutter, mein Vater, mein Sohn, alle liegen in dieser Erde. Was soll ich in Deutschland? Ich will bei meiner Familie begraben werden.« Damit war der Gesprächsstoff ausgeschöpft. Weberowsky legte sich ins Bett, schlief unruhig, stand am Morgen früh auf, saß dann in der kleinen Küche, kochte Tee und verließ die Wohnung, während der Gastgeber noch schlief.
    Im Kulturzentrum mußte er eine halbe Stunde warten, bis Bergerow

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