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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bademantel hinein. Köllner streifte ihn über und trat hinaus in den Flur.
    Was nun, dachte er. Lassen Sie mich ab jetzt nackt herumlaufen, aus Angst, ich könnte aus der Botschaft fliehen? Wenn ich das könnte, würde ich es auch nackt tun.
    Der Mann winkte und ging voraus. Der zweite Mann folgte hinter Köllner. Sie fuhren mit einem Lift ein Stockwerk höher, gingen einen langen Gang entlang und betraten dann ein Zimmer, das wie eine kleine Ambulanz aussah. Ein OP-Tisch, Schränke mit Medikamenten, eine kleine Röntgeneinrichtung, aber mit Bildwandler, auf dessen Schirm das Röntgenbild übertragen wurde, ein Ultraschallgerät, ein Doppler, ein EKG-Gerät – es war alles vorhanden, was zu einer gut ausgestatteten Arztpraxis gehörte. Köllner erinnerte sich, daß die neue russische Botschaft in Bad Godesberg sogar über eine eigene kleine Klinik verfügte, wo kranke Botschaftsangehörige behandelt werden konnten.
    Ein älterer Herr in einem weißen Kittel erhob sich aus einem Ledersessel und kam auf Köllner zu.
    »Dr. Nenachew«, stellte er sich vor. Er sprach im Gegensatz zu den anderen Russen ein fehlerfreies, akzentloses Deutsch und zeigte auf die Untersuchungsliege an der Längswand. »Machen Sie es sich bequem.«
    »Ich bin nicht krank.« Köllner blieb trotzig stehen. Hinter ihm standen die beiden hünenhaften Männer und bliesen ihm ihren Atem in den Nacken.
    »Das werden wir feststellen. Ziehen Sie bitte den Bademantel aus.«
    Er sagt wenigstens bitte, stellte Köllner fest. Und er sieht nicht aus, als ob er mich gleich schlachten würde. Er streifte den Bademantel ab und legte sich auf die Liege.
    Die gründliche Untersuchung dauerte eine Stunde. Dr. Nenachew ließ nichts aus, die Röntgenbilder des Magens waren negativ.
    »Sie können sich wieder anziehen.« Dr. Nenachew legte die Instrumente weg.
    »Danke!« Köllner zog seinen Bademantel an. »Und wie ist das Ergebnis?«
    »Sie haben einen kleinen Polypen im Darm. Ungefährlich. Kommt beim Stuhlgang ab und zu Blut?«
    »Nein, nie.«
    »Das wird noch kommen. Man kann das operieren. Ein harmloser Eingriff. Sie sollten das bald machen lassen.«
    »Von Ihnen?«
    »Dazu ist die Zeit, die Sie bei uns bleiben, zu kurz. Aber ich gebe Ihnen für einen Kollegen in Moskau die Diagnose mit. Sie operieren da mit den modernsten Geräten, mit Laserstrahlen. Sie werden gar nichts merken.« Dr. Nenachew nickte ihm freundlich zu. »Sie können gehen.«
    Die beiden Männer brachten Köllner zurück zu Denissow, der bereits telefonisch von Dr. Nenachew unterrichtet war. Völlig sauber. Kein Versteck im Körper. Denissow zeigte wieder auf den Stuhl, auf dem Könner vorher gesessen hatte.
    »Wo ist meine Zelle?« fragte Könner provozierend und blieb stehen.
    »Wir haben ein sehr schönes Gästezimmer für Sie hergerichtet. Sie sollen sich bei uns wohl fühlen.« Denissow hatte einen vergoldeten Samowar vor sich stehen und zwei dünnwandige Teetassen aus der berühmten Porzellanmanufaktur von Sankt Petersburg. Er goß den Teesud hinein, füllte ihn mit kochendem Wasser auf und schob Köllner eine Tasse zu. »Ich weiß, was Sie jetzt denken.«
    »Um Himmels willen, bloß das nicht!«
    »Sie bereuen Ihren Wunsch, nach Rußland flüchten zu wollen?«
    »Ich sage mir: Es war ein Fehler. Mein Entschluß war übereilt. Ich hätte nicht in Panik geraten dürfen.«
    »Es freut mich, daß Sie so ehrlich sind.«
    »Was bleibt mir anderes übrig? Es ist die Kraft der Verzweiflung. Ich bin vor den Handschellen davon- und in die Fesseln hineingelaufen. Was habe ich noch zu verlieren? Ein enttarnter Spion ist ein toter Spion, wenn er nicht gerade Guillaume heißt.«
    »Das waren Agenten der DDR, des Staatssicherheitsdienstes. Sie haben für uns gearbeitet, Herr Köllner. Das ist ein Unterschied. Aber was fürchten Sie? Wir werden für Sie sorgen. Ich habe große Hoffnung, daß Herr Dubrowin Ihren Wunsch, nach Kasachstan zu gehen, erfüllt.«
    »Das wäre wunderbar.«
    Köllner griff nach der Teetasse und trank. Es war kein russischer Tee, sondern ein Rauchtee, wie er vor allem in Tibet getrunken wird, über dem Feuer fermentiert und geräuchert. Denissow liebte diese Art von Tee, die eigenartige Würze regte ihn an.
    »Wie ist mein Onkel gestorben?« fragte Köllner plötzlich.
    Das Gesicht Denissows versteinerte wieder. Köllner schnitt ein Thema an, das ihm gar nicht gefiel. Denissow wußte keine Einzelheiten, nur soviel, wie man in den Zeitungen lesen und im Fernsehen sehen konnte;

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