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Westwind aus Kasachstan

Westwind aus Kasachstan

Titel: Westwind aus Kasachstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zahlencode, dachte er. Daran habe ich nicht gedacht, aber möglich ist alles. Wenn sich das bestätigt, ist Köllner ein ganz raffinierter Hund. Dann habe ich ihn unterschätzt.
    Weberowsky schlief lange auf dem alten Sofa. Je nach Lage seines Körpers schnarchte er laut und rasselnd, oder er lag auf dem Rücken und pfiff bei jedem Atemzug. Er hörte nicht, wie am Morgen Andrej Valentinowitsch sich duschte und dann in die Küche ging, um das Frühstück vorzubereiten.
    Erst als ihm Frantzenow die Nase zuhielt, schrak er auf und boxte um sich, weil er glaubte, zu ersticken.
    »Du hast eine besondere Art, jemanden zu wecken«, murrte er und setzte sich auf. Der Tisch war gedeckt, aus der Küche kam der Duft von gebratenen Eiern.
    »Hat sich Erna eigentlich nie beschwert?« fragte Frantzenow.
    »Worüber?«
    »Du gibst im Schlaf Töne von dir wie ein Wasserbüffel!«
    »Erna hat noch nie einen Wasserbüffel gesehen oder gehört.«
    »Aber sie kennt das Geräusch einer Holzsäge.«
    »Nein! Erna hat sich nie beschwert.«
    »Eine bewundernswerte Frau.« Frantzenow sah, wie Weberowsky schnupperte.
    »Ja, es gibt Eier mit Speck! Dazu Zwiebeln und Gurken und Brot.«
    »Hast du eingedickte Milch da? Ich esse jeden Morgen eingedickte Milch mit Beerenkompott.«
    »Ich kann mich erinnern. Mich ergriff immer ein Grauen, wenn ich dir beim Essen zuschaute.«
    »Aber es ist gesund und gibt Kraft.« Weberowsky erhob sich und ging zum Tisch. Da die Eier schon brutzelten, blieb keine Zeit für die Dusche. Das konnte man auch nach dem Frühstück besorgen. »Wie hast du geschlafen?«
    »Schlecht. So viele Gedanken gingen mir im Kopf rum.«
    »Das ist gut.« Weberowsky setzte sich. »Es ist schon ein Fortschritt, wenn du dir überhaupt Gedanken über das machst, was ich dir gesagt habe.« Frantzenow ging in die Küche, holte die Bratpfanne mit den Eiern und dem gebräunten Speck, verteilte sie auf zwei Teller, ging zurück und kam mit zwei Gläsern voller eingemachter Gurken und Zwiebeln zurück. Das Brot und ein großes Messer hatte er unter den Arm geklemmt. Eine Kanne mit Kaffee und die Tassen und Teller standen bereits auf dem Tisch. »Ich glaube, du hast bisher nie an deine Zukunft gedacht«, fuhr Weberowsky fort.
    »Nie. Warum auch?« Frantzenow setzte sich und begann zu essen. »Ich hatte meine Stellung, meine Aufgabe, ein sorgloses Leben –«
    »In einem riesigen Gefängnis.«
    »Das ist mir nie zu Bewußtsein gekommen. Erst als ich erfuhr, daß ich tot bin und in einem Grab in Moskau liege, war das wie ein Schock. Da sah ich plötzlich alles anders. Es war eine Veränderung, die meine Seele zerriß. Ich habe in diesem Augenblick begriffen, daß ich als Mensch ein Nichts bin … nur mein Wissen war wichtig.«
    »Du warst eine Denkmaschine.«
    »Ich habe mich seitdem gegen diese Erkenntnis gewehrt.« Er zeigte mit der Gabel auf Weberowskys Teller. »Iß, Schwager, die Eier werden kalt.«
    »Hast du dich entschlossen, mit uns zu kommen? Flug nach Moskau – deutsche Botschaft – Bonn –, das ist ein gerader und einfacher Weg.«
    »Und wo soll ich in Bonn hin?«
    »Dort, wo auch wir die erste Zeit wohnen werden. Bei unserem Neffen Karl Köllner. Er hat eine gute Stellung im Außenministerium und Verbindungen genug, dir und uns eine Wohnung zu besorgen. Erna hat ihm geschrieben.«
    »Und was hat er geantwortet?«
    »Noch nichts. Ein Brief von Atbasar bis Bonn kann vierzehn Tage dauern oder länger. Außerdem hat Karl genug Zeit, sich um eine Wohnung für uns zu kümmern, denn wie ich höre, kann ein Aussiedlerantrag bis zur Genehmigung fast ein Jahr dauern. Da bist du längst in Frankreich oder sonstwo.«
    »Ich gehe in keine Atomforschung zurück! Wenn ich Kirenskija verlasse, will ich nichts mehr von Atomen hören. Nuklearforschung – was ist das? Die Entwicklung eines neuen Medikamentes?«
    »Das schaffst du nie, Andrej. Ohne die Forschung kannst du nicht leben.« Weberowsky wischte mit einem Stück Brot seinen Teller leer. Er war es gewöhnt, am Tisch einen sauberen Teller zu hinterlassen.
    »Ich will nicht mehr!« Frantzenow schob seinen Teller weg und vierteilte auf einem neuen Teller eine dicke Essiggurke. »Ich schließe ab mit dem, was ich bisher geschaffen habe. Ich habe es für Rußland getan. Gibt es für mich kein Rußland mehr, gibt es auch keine neue Nuklearforschung. Und wenn man mir Millionen bietet. Ich will irgendwo auf dieser Welt in einer stillen Ecke sitzen und das Leben an mir vorbeifließen lassen.

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