Wetterleuchten
Wohnwagentür und sagte: »Gott sei Dank. Ich war den ganzen Tag hier eingesperrt und brauch dringend mal ’ne Pause. Deine Mom ist schon seit Stunden mit dem Taxi weg und dein Dad ... Keine Ahnung, was der treibt. Wahrscheinlich hat er wieder sein Bier probiert und liegt besoffen unterm Tisch. Was weiß ich.«
»Hey«, mahnte Jenn sie scharf.
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Annie. »Aber wie gesagt, ich muss mal hier raus. Kannst du ’ne Weile hierbleiben?« Sie begrüßte Becca und ließ die beiden in den Wohnwagen. »Es geht ihr immer noch nicht besser, und ich sage deiner Mom die ganze Zeit, dass sie ins Krankenhaus gehört. Deinem Dad hab ich’s auch gesagt. Aber sie tun nichts.« Chad könnte ... nicht genug Zeit und ich muss ... begleitete ihre Worte.
Im Wohnwagen flogen überall Annies Sachen herum, und es sah aus, als hätte sie versucht zu arbeiten. Auf dem Tisch lagen Papiere, auf dem Boden lauter Ordner und auf der Sitzbank Zettel mit Diagrammen, auf die etwas draufgekritzelt war. Ihr Laptop war auch an.
Jenn sah sich um und fragte Annie: »Wo ist sie denn? Ich dachte, sie schläft auf der Couch.«
»Im Schlafzimmer. Da sie sich noch nicht erholt hat, dachte ich, ich lass sie lieber dort schlafen. Da drin ist es wärmer. Außerdem starrt sie mich immer nur an, wenn sie hier im Raum ist. Das macht mich nervös. Ich habe Rhonda Mathieson angerufen, und sie war auch schon zweimal hier, doch sie sagt immer nur: >Das geht nicht so schnell.< Aber ich habe doch keine Zeit!«
Sie ging zur Couch und nahm ihre Jacke, die darauf lag. »Jetzt beginnt deine Schicht. Ich bin mal für ’ne Weile weg«, verkündete sie Jenn. »Schön, dich zu sehen, Becca«, fügte sie hinzu.
Becca nickte und lächelte verkrampft. Doch das war in erster Linie, um ihre Überraschung zu verbergen. Die Vorhänge, die schlaff vor den Fenstern über der Couch hingen, waren nämlich die gleichen, die sie in ihrer Vision gesehen hatte. Ebenso wie die Couch selbst. Und der Weg, den das kleine Kind zurückgelegt hatte.
Becca dachte, dass Jenn sie zu Cilla bringen würde, sobald Annie sie im Wohnwagen allein gelassen hatte. Stattdessen stürzte sie sich auf den Laptop der Meeresbiologin, sagte: »Ja, ja, ja, ja«, und fing fieberhaft an zu tippen. Bild mit Sender und die Nummern verriet ihr, was sie vorhatte, doch Becca fragte sie trotzdem.
»Squat sagt, dass Neras Sender eine Seriennummer haben muss, und wenn wir die haben, können wir mehr über sie herausfinden. Zum Beispiel, wo sie herkommt oder warum sie den Sender nicht irgendwann abgeworfen hat und so.«
Becca konnte sich nicht vorstellen, dass sie das weiterbringen würde; jedenfalls würden sie dadurch nicht näher an Eddie Beddoes Boot herankommen. Deshalb ging sie auf das Schlafzimmer zu, wo sie eine Gestalt im Bett unter den Decken liegen sah, mit dem Gesicht zur Wand. Becca murmelte: »Hey. Hallo. Bist du wach, Cilla?« Da drehte sich die Gestalt um. Sie richtete ihre großen dunklen Augen auf Becca und zuckte erschrocken zusammen. »Alles in Ordnung«, versuchte Becca sie zu beruhigen. »Ich bin eine Freundin von Jenn«, was das Mädchen nicht zu überzeugen schien, deshalb fügte sie hinzu: »Die in dem großen grauen Haus wohnt. Ihre Familie kümmert sich um dich.«
Cilla wimmerte; es war ein langer, tiefer Laut, der an einen Hund erinnerte, der auf sein Futter wartet. Sie wühlte mit den Fingern im Kissen herum, auf dem sie lag. Sie zeigte kurz ihre Zähne. Dann wich sie zurück.
Becca lauschte angestrengt. Außer Jenns Tippen auf der Laptop- Tastatur und Cillas Atem, der angestrengt und unregelmäßig ging, war nichts zu hören. Von dem Mädchen ging kein Flüstern aus. Es war hellwach und trotzdem kam nichts aus seinem Kopf, das Becca hätte wahrnehmen können.
Normalerweise war das nur bei Menschen so, die tot waren, dachte Becca. Jeder Mensch auf der ganzen Welt sandte ein Flüstern aus. Außer ... Auf Whidbey Island gab es einen Menschen, der sein Flüstern absolut unter Kontrolle hatte.
Diana Kinsale musste sich Cilla ansehen. Wenn irgendjemand sie verstehen konnte,dann war sie es.
Kapitel 38
J enn begriff nicht, warum Becca wollte, dass Diana Kinsale Cilla besuchte. Andererseits war es ihr aber auch herzlich egal. Annies Laptop hatte ihr geliefert, was sie wollte, und als sie die Fotos erst einmal hatte, war sie mit allem einverstanden, um nur schnell zurück in ihr eigenes Haus und zum nächsten Telefon gehen zu können. Sie musste Squat die
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