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Wetterleuchten

Wetterleuchten

Titel: Wetterleuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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bestimmten Figur gedreht.
    Geblümte Vorhänge vor einem Fenster, durch das Tageslicht drang. Eine Couch mit eingedrückten Kissen. Eine Küche, wo ein Stapel Laken auf einem Stuhl lag, und oben drauf hatte jemand einen Schal gelegt. Und dann sah sie - wie in einem Familienvideo - die Bilder eines Säuglings, der noch wackelig auf den Beinen war, aber trotzdem versuchte zu laufen. Es wurde eine Hand mit ausgestrecktem Finger ins Bild gehalten, damit sich das Kind daran festhalten konnte.
    Becca atmete rasselnd ein. Diana nahm ihr die Hand vom Arm und fragte: »Alles in Ordnung, mein Schatz?«, und mit diesen Worten kehrte Becca in die Wirklichkeit zurück und befand sich wieder in der Durchgangsdiele. Diana sah sie prüfend an, während Sharlas Finger durch Dianas Haar fuhren, wie es ein Friseur tut, kurz bevor er mit dem Schneiden beginnt. Die Durchgangsdiele sah aus wie vorher, aber Dianas Gesichtsausdruck verriet Becca, dass sie Bescheid wusste.
    Sie war einen Schritt weitergegangen. Sie wusste zwar nicht, was das für eine Reise war, die sie angetreten hatte, oder wohin die Reise ging. Aber sie kam ihrem Ziel näher, ganz gleich, was es war und warum es existierte.

Kapitel 37
    H ast du die Ausrüstung?«, lautete die Nachricht, die Becca am nächsten Tag während des Geschichtsunterrichts an Jenn schickte. Diese verzog das Gesicht was bedeuten sollte, dass dem nicht so war, und Becca vermutete, dass das an dem geheimnisvollen Mädchen in Possession Point lag. Deshalb schrieb sie noch einen Zettel: »Was hat es eigentlich mit dieser Cilla auf sich? Ich hab in der Zeitung von ihr gelesen.« Jenn erwiderte lautlos: »Erzähl ich dir gleich.«
    »Gleich« hieß nach der Schule, denn direkt nach der Geschichtsstunde wurde Jenn von Squat Cooper aufgehalten, der wissen wollte: »Willst du jetzt meine Hilfe oder nicht? Denn wenn ja, musst du deinen Teil auch tun«, worauf Jenn antwortete: »Hey. Ruhig, Brauner. Ich tu mein Bestes.« Und »gleich« kam nur zustande, weil Becca Jenn zum Schulbus folgte.
    Sie ließ sich auf den Sitz neben ihr fallen und fragte: »Und?«
    Da sagte Jenn entnervt: »Boah, du lässt nicht locker, was?« Doch dann erzählte sie die Geschichte von der jungen Frau, die sie unter Annies Wohnwagen entdeckt hatte: Wie sie sie in die Praxis gebracht und danach versucht hatten, sie ins Haus ihrer Eltern mitzunehmen, wie sie sich angestellt hatte, als wollte man sie zum Schafott führen, und sich erst beruhigte, als man sie in Annies Wohnwagen brachte. Sie war ziemlich krank und erholte sich auch kaum, und das einzig Gute an der ganzen Sache war, dass Annie nie lange genug weg konnte, um Nera zu fangen.
    Der olle Chad vermisst sie sicher schon ... ich lach mich krank ... begleitete die Geschichte, und neben der Tatsache, dass Annie an ihren Wohnwagen gefesselt schien, schloss Becca aus der ganzen Geschichte außerdem, dass Chad und seine schmachtenden Blicke, mit denen er Annie Taylors Körper bedacht hatte, tatsächlich erhört worden waren. Doch bevor sie Jenn danach fragen konnte, kam noch die Antibiotika hätten helfen müssen ... und war nicht überrascht, als Jenn schließlich aussprach, dass die Antibiotika, die sie dem Mädchen verabreicht hatten, scheinbar keine Wirkung zeigten.
    »Sie hatte einen alten Rollkoffer dabei«, erzählte Jenn weiter. »Der sah aus, als hätte sie ihn von Kanada bis hierher gezogen. Da drin waren Kleider, ein Haufen verfaultes Obst, ein paar Müsliriegel und ein Brief. Darin stand, dass sie zwar hören kann, aber nicht sprechen. Sie macht nur so komische Geräusche.«
    »Was für Geräusche?«
    »Wie ... Ich weiß auch nicht, Becca. Das musst du dir selbst mal anhören. Wenn sie wach ist. Das kann ich aber nicht garantieren, denn sie ist ja krank.«
    Geräusche, dachte Becca. Sie runzelte die Stirn, ließ ihre Gedanken schweifen und schaute aus dem Fenster, während sich das Ackerland auf beiden Seiten der Straße langsam in tiefen Wald verwandelte, wo dichte Schatten auf den Boden fielen. Wenn man nicht sprechen konnte, hieß das nicht zwangsläufig, dass man auch nicht denken konnte, überlegte Becca. Deshalb standen die Chancen gut, dass sie dieses Mädchen würde flüstern hören können.
    Der Nachmittag war grau und trüb. Himmel und Wasser waren bleifarben, und über ihnen hing eine Wolkendecke, die Regen und starken Wellengang versprach, der das Wasser gegen das am Ufer herumliegende Treibholz würde klatschen lassen.
    Als Jenn klopfte, öffnete Annie die

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