When the Music's Over
geht das alles zu schnell«, beharrte Doc.
Skadi, die die ganze Zeit nur zugehört hatte, sagte: »Manchmal kann man auch zu lange abwarten.« Und sie sah wieder die verbrannten Körper ihrer Freunde in Longyearbyen vor sich. »Wir müssen verhandeln, wir müssen eine gemeinsame Basis finden«, hatte die Anweisung von Vibke, ihrer Sysselfrau gelautet. Gewaltlosigkeit, die mit Gewalt beantwortet worden war. Auch Vibke war unter den Opfern gewesen. Sie hatte nicht mehr mit ansehen müssen, was mit den Streikenden passierte.
»Finde ich auch«, sagte Pierce entschlossen. Und für sich fügte er hinzu: »Wer weiß, wie viel Zeit uns überhaupt noch bleibt.«
Damit war es entschieden. Pierce würde den Zauberhut sprengen, und die Tunnel-Soldaten würden mit Takaheshi, Skadi, Garfield und dem reduzierten VID-Team – Ali hatte ein Angebot von World Net News bekommen und angenommen – ins Polarmeer fahren.
»Du kannst ja hier bleiben, wenn dir das alles zu schnell geht, alter Mann«, sagte Wiesel zu Doc und merkte gar nicht, wie gönnerhaft er klang.
»Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich mir die Gelegenheit entgehen lasse, ein richtiges Raumschiff anzukucken!«
»Nö, eigentlich nicht.« Wiesel grinste ihn breit an. Er fühlte sich richtig gut. Endlich kamen die Dinge wieder in Bewegung. Unten am Kai konnte er Sunshine sehen, die zusammen mit Takaheshis Männern das Verladen der Fracht überwachte – Ausrüstung und Waffen. Alles im großen Stil, beste Qualität. Als Gegenleistung hatten sie nur ihre Unterschrift unter einen Vertrag von Sakamoto-Cyber-Media zu setzen brauchen, der sie zu Popstars machen würde – na ja, oder so was Ähnliches. Der alte Japaner hatte irgendwas von »Neuen Helden« gemurmelt und etwas dumm vor sich hin gegrinst. Selbst als Doc ihm den Wisch mit den Worten »nie wieder Hollywood« ohne Unterschrift zurückgab, hatte er nicht aufgehört zu grinsen. Sei’s drum, die Waffen waren cool.
»Es hat was für sich, mit Sponsoren zu arbeiten«, hatte Sunshine zu ihm gesagt. »Schade, dass wir da nicht schon eher drauf gekommen sind.«
Kahia wollte auf Freezone bleiben, ebenso die Theaterleute und Barbo und Madame Esmeralda. Takaheshi hatte den Künstlern angeboten, auf der Hazienda zu wohnen, und sie hatten begeistert zugestimmt.
Rashala stand auf ihrem Lieblingsplatz, den künstlichen Klippen, und sah der Jacht hinterher. Takaheshi hatte sie gefragt, ob sie ihn begleiten wollte, doch er hatte nicht mit einem Ja gerechnet. »Ich bleibe, damit du einen Grund hast, da oben auf dich aufzupassen, Taka.« Und das klang fast so gut wie ein Ja.
»Wo sind die Songs geblieben?« Blue hockte an Deck des SunCo-Bootes und zog neue Saiten auf seiner Gibson auf. Er sah aus wie jemand, der sich gerade von einer langen Krankheit erholte und selbst noch nicht recht daran glaubte, dass es vorbei war.
Nach dem Auftritt der Runners hatte er fast zwei Tage geschlafen. Er streckte seinen Arm und sah auf seine Finger – kein Zittern, gut. Eigentlich hatte er allen Grund, zufrieden zu sein, wäre da nicht diese ständig wiederkehrende Frage gewesen. »Weißt du es?« Gegen die Sonne blinzelnd sah er zu Pierce auf. Wenn sein großer Bruder keine Antwort wusste, wer dann?
Der zuckte nur mit den Schultern und sagte lapidar: »Keine Ahnung.«
»Willst du es denn nicht wissen?«
»Ich hab irgendwann aufgehört, darüber nachzudenken.«
»Das ist nicht gut.« Blue klang vorwurfsvoll.
Pierce überlegte, dass das Klischee stimmte. Die Zeit reichte nie, um das zu sagen, was man sagen wollte. Während all der Monate, die er allein draußen auf dem Meer verbracht hatte, hatte er sich manchmal vorgestellt, wie ihr Wiedersehen verlaufen würde. Doch nie kam in diesen Gedankenspielen das Danach vor. Würde Blue ihm jetzt wieder die gleichen Vorwürfe machen, mit den gleichen Anschuldigungen bewerfen?
»Ich bin ausgebrannt. Mir fällt einfach nichts mehr ein. Ich schreibe nur noch Scheiß zusammen.« Auf einem tiefen, gequälten Atemzug stieß Blue die Worte heraus.
Alles andere hatte Pierce erwartet, nur nicht dieses Geständnis. Er war verwirrt. Blue war sich seiner immer so sicher gewesen, wenn es um seine Qualitäten als Songschreiber ging. Sicher, an der Oberfläche waren all die Zweifel gewesen, doch tief in ihm gab es die Gewissheit um seinen Daseinszweck. Was war geschehen?
»Bist du deshalb nach Freezone gekommen?«
»Weshalb?« Blue sah ihn verwundert an. »Ich war mit der Band im Studio. Wir hatten
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