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When the Music's Over

When the Music's Over

Titel: When the Music's Over Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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Ärschen.
    Faizul hasste die Besucher, obwohl es nicht PC war. Aber was war das für eine Welt, in der man nicht mal mehr seine eigene Meinung haben durfte?
    »Ich muss mir unbedingt die Haare waschen. Wieso gibt es in diesem verdammten Hotel kein fließend Wasser?«
    »Weil Wasser und Strom rationiert sind.« Woher nahm sie nur die Geduld, dieser dummen Kuh stündlich das Gleiche zu erklären.
    »Dann besorg mir endlich ein Zimmer.«
    Wütend trommelte Sandrine auf die Armlehnen des abgewetzten Ledersessels, der seit ihrer Ankunft ihre einzige Schlafmöglichkeit gewesen war. Faizul und das Kamera-Team hatten auf dem Boden geschlafen. Ein Umstand, der Sandrine nicht weiter erschütterte, schließlich war sie der Star der Show.
    »Hörst du nicht, ich will ein Zimmer!«
    »Halt endlich die Klappe, McMillan, sonst gibt’s nichts zum Frühstück.«
    »Wann fahren wir wieder zurück?« Sandrine hatte ein neues Thema gefunden. »Ich halt’s in dieser Scheiß-Stadt nicht mehr aus.«
    »David Bowie hat’s hier immerhin zwei Jahre ausgehalten«, sagte Faizul bissig, wohl wissend, dass die hohlköpfige McMillan von der Pre-Punk-Kultur der siebziger Jahre keine Ahnung hatte.
    »Na und, der ist ja auch in so ’ner Scheiß-Westernrevue aufgetreten.« Sie sprang auf und begann hektisch an ihrer Frisur zu zupfen. »Wenn ich mir nicht bald die Haare waschen kann, dreh ich noch ab. Und dann dieses ganze Mistzeug, das wir immer mitschleppen müssen.« Anklagend deutete sie auf die Kameraausrüstung. »Ich hab doch immer gesagt, wir müssen den Trailer nehmen.« Sie stand jetzt vor einer der eingeschlagenen Schmuckvitrinen und versuchte sich in dem Hintergrund zu spiegeln. »Diese Stadt macht mir Pickel.«
    Damit hatte sie vermutlich sogar Recht, überlegte Faizul. Nur hundertfünfzig Kilometer entfernt hatten die Besucher vor einem Jahr ein Atomendlager eingeschmolzen. Niemand hatte sich je die Mühe gemacht und nachgemessen, wie hoch die Strahlung war – genauso wenig wie jemand fragte, was sich die Aliens dabei gedacht hatten. Zufällig waren die oberen Luftschichten genauso radioaktiv belastet wie in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die USA ihre Atomtests machten. Faizul fand, dass schon eine fast lyrische Ironie in diesem Umstand lag.
    »Nichts.« Hinter ihrem Rücken knallte eine Tasche mit Ausrüstung zu Boden. »Nichts außer zwei Stunden Footage, Schwarzmarkt und Streetlife.«
    »Oh, hi, Brad.« McMillan setzte ihr Flirtgesicht auf. »Ich wär ja soo gerne dabei gewesen.«
    »Glaub ich nicht – kein fließend Wasser.«
    »Oh, na ja.« Sie blinzelte irritiert. »Und wo ist – wie heißt er noch gleich?«
    Faizul biss sich auf die Lippen. Sandrine bemühte sich nicht einmal, ihren Rassismus zu verstecken. Subtilität war keine ihrer Stärken.
    »Ich wünschte, Erg wäre noch im Team. Mit ihm hatten wir immer eine Menge Spaß«, seufzte Sandrine und verdrehte albern die Augen. Immer wenn sie proportional zu dem üblichen Blabla noch mehr Unsinn redete, lag es an den Entzugserscheinungen.
    »Klar, wenn man Schizos mag«, murmelte Brad.
    »Das hab ich gehört.«
    Wortlos drängte sich Faizul an ihr vorbei. Sie brauchte unbedingt Luft. Sobald der Name des ehemaligen Anchor-Mannes fiel, hatte sie diese Atemnot – Hysterie, Post-Trauma, wie auch immer man es bezeichnen mochte. Der Tag, an dem Erg Alonquin verschwand, war zugleich der furchtbarste und der befreiendste Augenblick in ihrem Leben gewesen.
    Sie stand hinter der Absperrung des Kempi und sah auf den Kurfürstendamm. Zerschmettertes Glas lag auf den Gehwegen und geplünderte Schaufenster gähnten auf die Straße wie gelangweilte Primadonnen. Verblichener blauer Samt, ehemals die Unterlage für Halsketten und Armreifen, flatterte träge im Wind.
    »Ola, Faizul.« Ali kam mit dem gemieteten Sicherheitsmann des Hotels durch die Schranke.
    Sie waren aus Hamburg gekommen, wo sie das Feature »Untergang einer Stadt« gemacht hatten. Faizul hätte gerne gewusst, was aus dem kleinen Jungen und der jungen Frau aus Spitzbergen geworden war, die die WaPo aus dem Bunker befreit hatte. Doch in dieser Welt verschwanden die Menschen von einem Tag auf den anderen und niemanden schien es zu kümmern. Hatten sie nicht gesagt, dass sie auch nach Berlin wollten?
    Der unvermeidliche Nieselregen setzte ein. Manchmal fragte sie sich, ob die Sonne überhaupt noch existierte, so lange war es schon her, dass die ewig triste Wolkendecke einmal aufgerissen war. Faizul

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