When the Music's Over
interessante Aufnahmen von Opfern des »Stummen Dröhnens« – so nannte die ahnungslose Bevölkerung die Waffe der Aliens – gemacht und war dann weiter ins Landesinnere gereist. Draco war frustriert, er hatte die Flut nur um wenige Stunden verpasst. Welch ein apokalyptischer Momen und er war nicht dabei gewesen. Seine Wut wurde rot glühend, als er die Bilder des VID-Teams sah. Sandrine, die kleine Nymphomanin, plapperte über die Bilder von trister Schönheit. Sie verdarb alles. Ein Anruf beim Sender – er hatte immer noch seine Kontakte – verriet ihm den nächsten Auftrag des Teams: Berlin. Gut, also würde er auch nach Berlin fahren und der Schlampe den Hals umdrehen.
Tunnel-Soldaten
»Du musst es versprechen, du musst!« Wiesel hockte vor Sunshine auf den Fersen und legte ihre Rechte auf den Cyber 3. »Schwör es, okay?«
Sunshine gab seinen beschwörenden Blick mürrisch zurück. Wiesel sah nach Ärger aus, und den konnte sie heute nicht brauchen. Vergangene Nacht hatte die Gruppe das »Ritual« verlangt und sie war noch nicht dazu bereit gewesen. Eine neue Gruppe Vierfinger war in die Stadt gekommen, und Dreisatz machte Panik und erzählte jedem, dass sie wegen ihnen gekommen wären.
»Es war einfach zu leicht.« Dreisatz rang die Hände wie eine bekümmerte alte Frau. »Sie wissen jetzt, dass wir hier sind, und was dann passiert …«
»Kusch«, machte Sunshine und zu ihrer Befriedigung verstummte Dreisatz schuldbewusst.
Niemand durfte jemals von der Strafe reden, niemals. Obwohl sich Sunshine selbst eingestehen musste, dass es fast zu leicht gegangen war. Sie trat gegen den Haufen alter Körperpanzer, die neben dem Eingang ihres Tunnels aufgeschichtet waren und schnatterten wie die Rasseln einer Klapperschlange. Dreisatz zuckte zusammen, ihre Lippen bewegten sich wie in einer stummen Beschwörung. Sunshine bückte sich, griff nach einem Panzer und warf ihn Dreisatz in den Schoß.
»Das ist alles, was von ihnen übrig bleiben wird. Ein Haufen Käferscheiße. Klar?«
Vor drei Tagen waren die Panzerfäuste eingetroffen. Besorgt durch eine Untergrund-Connection, bezahlt mit Informationen über das Schiff.
Soweit Sunshine wusste, war es das einzige Raumschiff, das jemals von den Aliens aufgegeben worden war. Doch es war mehr als nur ein Transportmittel zwischen den Welten, es war gleichzeitig Stützpunkt und Vorposten gewesen. Jetzt versank es langsam im Schlamm der Deponie vor der Totenstadt. Und nur sie wusste, wie man hineingelangen konnte. Sie sprach jedoch niemals darüber, warum das so war.
Sie hatten sie abgefangen. Dreiundzwanzig Monate war es jetzt her. Sechs davon hatte sie auf dem Schiff verbracht – als Versuchsobjekt. Und irgendwann waren die Fremden sorglos geworden – kurze Zeit später waren sie tot. Und dann starb die Stadt und mit ihr drei Millionen Menschen. Und in Sunshine war nur noch Platz für unsagbare Schuld, Trauer und Rache, bis sie Wiesel traf.
In ihm erkannte sie das Spiegelbild ihrer Wut und ihrer Verzweiflung, aber auch ihrer Hoffnung. Und jetzt sah es so aus, als hätte Wiesel die Antwort auf alle ihre Probleme, Wiesel und sein Cyber 3. Sie wusste, dass sie schweigen musste. Wiesel hätte ihr kein Versprechen abzupressen brauchen. Die Informationen waren zu bedeutsam, als dass sie leichtsinnig weitergegeben werden durften.
Erst gestern hatte sie wieder den Traum gehabt: Sie ging durch die Totenstadt und aus den Ruinen stiegen wallende Nebel auf wie in einem Horrorfilm. Hinter den zerborstenen Fenstern tauchten fleischlose Gesichter auf, winkten ihr zu. Keine Feindschaft, Sunshine. Du hast uns ermordet, aber was bedeutet das Leben schon. Und dann war sie plötzlich in dem Schiff, und sie taten wieder diese Dinge mit ihr. Und irgendwann, Ewigkeiten vergingen, wachte sie von ihren eigenen Schreien auf.
Wiesel wiegte sie so lange in seinen Armen, bis sie nur noch leise schluchzte.
»Wieder die Träume, he?« Ihm waren Sunshines Tränen unheimlich, er fühlte sich gleichzeitig hilflos und zornig. Für gewöhnlich war es gerade Sunshine, die wusste, wie man diesen Zorn kanalisierte, ihn zur tödlichen Waffe machte. »Du willst wohl nicht darüber reden?«
»Ich kann nicht. Es ist so, als wäre alles versiegelt, und nur in meinen Träumen bricht dieses Siegel auf, ob ich will oder nicht!« Sie schrie die letzten Worte heraus.
Doch sie sagte nicht die ganze Wahrheit. An alles, was passierte, nachdem sie die Hypnose oder was auch immer es gewesen war abgeschüttelt
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