When the Music's Over
warmen Atem in sein Ohr. Er nahm ihre Hand, grinste Doc zu und ging mit ihr zu seinem SunCo-Boot.
Später: Kahias tiefe, regelmäßige Atemzüge hatten eine fast hypnotische Wirkung. Dicht an ihn gedrückt lag sie neben ihm auf der Koje. Sie war eine zärtliche und einfallsreiche Geliebte, und in diesem Augenblick liebte er sie ganz aufrichtig.
Pierce dachte an nichts, ließ sich einfach treiben. Da hörte er es: Blue. Sein kleiner Bruder rief nach ihm. Ihre telepathische Telefonverbindung, laut und deutlich war sie in seinem Kopf. Blue war in der Nähe. Er war auf Freezone.
Vorsichtig löste er sich von Kahia und setzte sich auf. Ihm schwirrte der Kopf. Wie konnte das geschehen? Wusste Blue denn nicht, dass er noch nicht bereit war, ihn wieder zu sehen? Er lauschte in sich hinein: Die Stimme war verstummt. Hatte er sich das Ganze nur eingebildet, war es nur ein drogenbedingter Flashback? Erleichtert ließ er sich zurücksinken. So musste es sein. Blue durfte einfach nicht hier sein, er passte nicht hierher in dieses seltsame Universum. Doch irgendwann würde sein kleiner Bruder vor ihm stehen und seine Schulden einfordern.
Am nächsten Abend kam Jason vorbei. Wie immer brachte er Geschenke mit, weißes Pulver und mehrere Glasphiolen mit Sklak-Derivat.
»Sie ist unruhig.«
»Sie« war Tonia Sakamoto. In Jasons zweidimensionaler Welt drehte sich fast alles um das Wohlbefinden seiner Arbeitgeberin.
»Dann musst du sie dir eben mal so richtig vornehmen«, grinste Pierce.
Jasons angewiderte Miene ließ ihn laut auflachen. Das Leben konnte einem schon seltsame Streiche spielen. Als er neu auf Freezone war, stand Tonia Sakamoto eines Nachts in der Mainframe-Bar vor ihm. Sie hatte sich toll herausgeputzt: zwei Bodyguards und enger schwarzer Lack, durch den sich ihr Intimschmuck abzeichnete. Pierce verabscheute Frauen, die sich Löcher in ihre Körper stanzen ließen.
»Du bist Pierce, der Drummer der Runners.« Sie war völlig zugedröhnt, ihre Aussprache undeutlich, aber ihr Ton duldete keinen Widerspruch.
»Irrtum, Schätzchen.« Er grinste sie an, ohne sie wahrzunehmen. Frauen wie sie ignorierte man, oder man vögelte sie erst und ignorierte sie anschließend. Eine weitere Option gab es nicht, es sei denn, man wollte viel Ärger. Das hatte er bereits nach dem ersten Hit der Runners gelernt.
Sie blinzelte irritiert. Dann lachte sie auf. »Ich verstehe, du bist Pierce, der Ex-Drummer der Runners.«
»Wenn du meinst.«
Pierce langweilte das Gespräch, und er gab sich keine Mühe, es zu verbergen. Er entdeckte einen Bekannten am anderen Ende der Bar und ließ die Frau stehen.
»Du kennst Tonia Sakamoto?« Ennis war beeindruckt.
»Wen?«
»Du hast doch eben mit ihr geredet.«
Pierce hatte die Frau in dem Augenblick vergessen, als sie sich aus seinem Sichtfeld entfernt hatte.
»Sie lebt oben auf der Hazienda. Sie ist die Nichte von Takaheshi Sakamoto.«
Ennis klang wichtig, als er seine banalen Informationen vor ihm ausbreitete.
»Ich habe übrigens genau das Richtige für dich gefunden. Du hast doch von Mahubs kleinem Problem gehört?«
Noch mehr Belanglosigkeiten. Pierce nickte abwesend. Mahub hatte Schulden bei seinem Dealer gehabt, hohe Schulden, und seit zwei Wochen war er verschwunden.
»Gestern hat ihn Lillith gefunden.«
Ennis holte tief Luft. Pierce wusste, jetzt kam die Pointe.
»Es sieht so aus, als hätte er sich eine Überdosis von diesem neuen Alien-Stoff verpasst. Wer hätte gedacht, dass er wirklich pleite war und nicht nur so tat?«
»Das Leben steckt eben voller Überraschungen«, meinte Pierce philosophisch.
»Eben. Und das Gute ist, ich habe erst vor einer Woche die Hypothek für sein Hausboot günstig erworben. Deinem neuen Heim.«
»Glaub nicht, dass ich den vollen Preis zahle.«
»He, he, hab ich jemals versucht, dich zu übervorteilen?«
»Ich kann kaum noch zählen, wie oft.«
»Ja, aber du bist mir doch immer draufgekommen.«
»Und deshalb zählt es nicht, was?«
»He, wir sind doch Freunde.« Er hob die Stimme und winkte dem Barkeeper. »Noch eine Runde für mich und meinen Freund, den weltbesten Schatztaucher.«
Eine bange Schrecksekunde lang fürchtete er, Ennis würde »weltbesten Drummer« sagen. Hier auf Freezone wusste niemand, wer er mal gewesen war, und das sollte auch so bleiben.
Das Hausboot war ein guter Kauf gewesen. Ungefähr ein Jahr später hatte Ennis versucht, den Falschen reinzulegen. Fischer fanden ihn eines Morgens mit durchgeschnittener Kehle am
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